Weiteres über Julia Varady • The Rest

Julia Varady

Auszeichungen:

Bayerische Kammersängerin (1980)
Bayerischer Theaterpreis (1997)
Dortmunder Kulturpreis (1998)
Bayerischer Maximiliansorden (1998)

Film:

"Julia Varady - Die Seele singt". Von Klaas Rusticus, ZDF 1992

Julia Varady mit ihrem Sohn
Julia Varady mit ihrer Schwester


"Julia Varady - Gesang als Passion". Von Bruno Monsaingeon,  ARTE-BR 1998. Dieser Film wurde am 17.1.99 im
Bayerischen Fernsehen gezeigt. Er bringt viele bisher unbekannte Ausschnitte aus Oper und Konzert, auch etliche
Bilder aus Julia Varadys Anfangszeit in Rumänien.

Julia Varady

  • aus "Grosse Sänger"

von Jens Malte Fischer (Stuttgart: Metzle,r1993 und Frankfurt: Suhrkamp, 1995)

"..ich behaupte, daß die einzige Sängerin der Gegenwart im Sopranfach, bei der ich gewisse Ähnlichkeiten mit der künstlerischen Kontur von Maria Callas entdecke, Julia Varady ist.
....Wo aber ist das große Opernhaus, das die einmalige Chance nutzt, mit Julia Varady endlich die Medea Cherubinis zu wagen, die seit Maria Callas wieder in einen Dornröschenschlaf versunken ist? Hier ist, zum ersten Male seit Callas, eine Sängerin, mit der diese Partie, diese Oper rollendeckend besetzt wäre - die Medea könnte die Krönung einer ungewöhnlichen Laufbahn bedeuten und für die Opernszene am Ende dieses Jahrhunderts ein besonderes, mit nichts zu vergleichendes Ereignis.

 

  • Vogue Nummer 7 von 1983: "Eine Diva wie Dynamit"

 


Gespräch mit Julia Varady (Dr. Klaus Adam)

Aus "Oper und Konzert", September /1972 (!)

"Gibt es in Rumänien noch Vulkane?" - die Frage würde jeder verneinen, auch wenn seine Geographiekenntnisse dürftig sind. Nach einer "Titus"-Aufführung im Münchner Cuvilliéstheater ist man seiner Sache nicht mehr so sicher. Vitellia alias Julia Varady hat ein Temperament wie ein feuerspeiender Berg, die Skala ihrer Leidenschaften verschlägt dem Publikum den Atem, sie ist eine jener Frauen mit kaiserlichem Stirnreif, die ein Imperium ins Wanken bringen. "Oderint dum metuant" könnte wie Caligulas Lieblingswort auch ihr Lebensmotto gewesen sein. Aber nicht nur Faszination einer dämonischen Macht strahlt von ihr aus, auch die Magie des Weiblichen. Schwarz ringeln sich die Locken wie um das Haupt der Medusa, ihr Blick hat die Kraft, alle, die er trifft, sich zum Sklaven zu machen. Man begreift, daß Sextus dieser Nobel-Messalina hörig ist, ihr auch als Verräterin verfallen bleibt - man muß wohl schon Fischblut in den Adern haben, um als Zuschauer nicht zu denken: "Die wär's..." Und dann hat man das Vergnügen, Julia Varady zu einem Gespräch zu bitten. Bescheiden steht da eine aparte zierliche Dame vor der Tür, das aschblonde Haar streng geknotet, hat Blumen für die Frau des Hauses in der Hand, freut sich wie ein Kind, daß sie mit heimatlichen Lauten "Jo estét" begrüßt wird - und ist von solcher Zurückhaltung, daß man ihr gleich zweimal einen Sessel anbieten muß. Der Gedanke "Die wär's..." wird abgelöst von einem Lohengrin-Gefühl. Man möchte dies zerbrechliche Wesen schützen wie ein tugendsamer Ritter, für sie Turniere mit geldgierigen Agenten und Managern bestehen, Dirigenten zum Zweikampf fordern, die ihr dumme Partien aufdrängen wollen: sie scheint allein zu sein, sich nicht immer ihres Wertes bewußt, ein bisserl verloren in dieser hektischen Welt des westeuropäischen Kulturbetriebes.

Bei dieser ersten kurzen Begegnung erkennt man in Julia Varady "privat" wenig von der Kraft und Energie ihrer Bühnenpersönlichkeit, man ahnt nur die Überlegenheit ihres Spieles, Fülle und Furor des Ausdruckes. Gehört sie zu jenen Künstlern, die im Rampenlicht erst ihr Leben leben, das wenig mehr gemeinsam hat mit der Existenz vor der Bühnenpforte? Darf sie nur auf der Bühne sein, was sie ist - oder kann sie es nur dort sein? Lauter Fragen; eine Stunde Gespräch gibt nur andeutungsweise Antwort.

Julia Varady ist in Siebenbürgen geboren, in Großwardein - heute Oradea -; das Land wurde durch einen Machtspruch Hitlers einst zu Ungarn geschlagen, fiel aber nach dem Krieg an Rumänien zurück. Einst war es dreisprachiig, heute lernen und sprechen die Kinder Ungarisch und Rumänisch. Julia Varady entstammt keinen wohlhabenden Verhältnissen, obgleich ihr Vater eine berühmte Sport-Persönlichkeit war. Julia Varady besuchte Volks- und Mittelschule, war kein Wunderkind, Gesang war eine Begabung, die erkannt und auch gefördert wurde - aber ihre Neigung gehörte in der Kindheit wie noch heute der Literatur und Philosophie. So galt auch ihr erster Blick dem Bücherschrank des Gastgebers, und er leuchtete auf, als er Thomas Mann, Bert Brecht, Hugo von Hofmannsthal und so manch anderes entdeckte, was vertraut ist.

"Ich habe schon als ganz kleines Kind die Lesewut gehabt, später hat mir vor allem mein gütiger Schwiegervater geistige Anregungen gegeben. Nächtelang haben wir über Schopenhauer oder Nietzsche diskutiert; wenn ich nicht mit einer Stimme beschenkt worden wäre, ich glaube, ich hätte Philosophie studiert, Wissen und Denken, das fasziniert mich..."

Aber es kam halt anders. Das Erziehungssystem der sozialistischen Volksrepubliken überläßt ja anders als das westliche System die Berufswahl nicht ausschließlich der eigenen Initiative. Die Kinder werden von Anfang an auf ihre Begabung beobachtet, man unterstützt sie bei der Entfaltung ihrer Talente; das ist nun keineswegs so, daß ein Mädchen mit vielversprechenden Stimmbändern von Wurzelziehen, Geschichtszahlen oder Fremdsprachen wie Französisch und Italienisch verschont bleibt. Aber der musikalische Unterricht hat schon innerhalb der Schule mehr Gewicht - und als Julia Varady 16 Jahre alt war, konnte sie in Klausenburg - Cluj -eine Schule besuchen, die man vielleicht als "musisches Gymnasium" bezeichnen könnte. Nach dem Abitur studierte sie an der Akademie weiter Geige und Gesang, und was so dazu gehört, vor allem bühnenpraktische Fächer. Daß sie als Vitellia Titus so überzeugend zu Füßen fällt, daß die Quelle der Milde aufschäumen muß wie ein Geysir - das hat sie nicht erst der Regisseur Jean Pierre Ponelle lehren müssen. Bisher hat sie in München nur einen Dolch aus dem Busen gezogen, aber man darf ihr glauben, daß sie auch fechten kann wie einer der drei Musketiere.

Wer Julia Varady als Vitellia gehört hat, wird erstaunt gewesen sein über die voluminöse dunkle Tiefe; die Partie, deren Koloraturen ins hohe D gehen, hat ja Passagen wie für Amneris oder Orpheus. Und den Orpheus hat Julia Varady wirklich gesungen - konzertant, die Eurydike erst in Frankfurt. Die Gesangspädagogen hielten sie jahrelang für einen tiefen Mezzo, erst 1966 wechselte sie ins Sopranfach über. Vier Jahre hat Julia Varady an der Ungarischen Staatsoper in Cluj gesungen - "jede Minorität hat in Rumänien gleiche Rechte, neben dem rumänischen Theater existiert auch eine ungarische Oper" - deren Intendant Alexander Szinberger auch in Deutschland bekannt ist. Neben ihren ersten Bühnenpartien - Liu, Judith, Fenena, Santuzza - hat Julia Varady auch in Konzerten gesungen und das brachte ihr und uns Glück. Ein Freund brachte eine Tonbandaufnahme von "Ah perfido", das sie unter der Direktion des bekannten Dirigenten aus der DDR, Heinz Kegel, sang, nach Frankfurt, Christoph von Dohnanyi lud sie zum Vorsingen ein, winkte bei dem ersten Vorschlag "Liu-Arie" ab, hörte sich den zweiten Vorschlag "Abigail-Arie" an und der Vertrag war schon gemacht. "Ich habe zwar am Anfang nicht sehr viel mehr als ‚Guten Tag', ‚Guten Abend', ‚Danke' und ‚Ich bin hungrig' sagen können, meine erste Partie in Frankfurt, Antonia, war sicher sprachlich gräuslich, aber seither lerne ich fest, jeden Abend zehn neue Wörter, die Kollegen helfen mir schon; in italienischen Partien wie Elvira, Elisabeth, Fiordiligi tu ich mich leichter, der Dialog für Saffi war schrecklich schwer, aber wir werden ja sehen, wieviel Text bei meinem Münchner Debüt, dem Komponisten in "Ariadne" zu verstehen sein wird..."

"Ich habe Rumänien nicht verlassen, um Karriere zu machen - ich mußte Geld verdienen. Mein Mann, der ein ganz hervorragender Cellist ist, sogar Rostropowitsch hat ihn gelobt, als er in Cluj war - er hat schon als Kind ein Auge verloren, das andere war immer gefährdet. Wir waren zusammen in Frankreich bei einem Spezialisten, die Operation ist nicht recht geglückt, wir hoffen auf einen Apparat, der zur Zeit in Amerika entwickelt wird ... Ich muß für ihn und unser Kind sorgen - zwei Jahre habe ich jetzt schon meinen Jungen nicht gesehen, in den ersten Monaten der Trennung hab ich nächtelang geweint, das Heimweh hat mich nur so geschüttelt, aber dann habe ich mir gesagt, Tränen ändern nichts, Weinen schadet der Stimme. Ich rede da ganz streng mit mir, erziehe mich, Disziplin ist in unserem Beruf die erste Bedingung für einen Erfolg."

Julia Varady sagt das sehr tapfer. Aber man spürt, daß sie ihr Herz dabei in beide Hände nehmen muß ...

Ob ihr das Schicksal die Entscheidung "Familie - Weltkarriere" erspart? Ihre Laufbahn hat sie in zwei Jahren von Frankfurt nach München geführt, mit Gastspielen in Köln, Hamburg, Zürich, die Angebote für die nächste Saison überstürzen sich, ein Vorsingen bei Solti ist schon terminiert. Aber das werden alles nur Zwischenstationen sein, Amerika, die Met werden sich eine solche Stimme nicht entgehen lassen.

"Primadonna assoluta" hat sie neulich Karl Heinz Ruppel in einer "Titus"-Besprechung genannt. "Das Leben trägt ein ehernes Gesetz in sich, und jedes Ding hat seinen Preis ... unaufhörlich zahlt jeder mit seinem Wesen, und so kann keiner Höheres, als ihm ziemt, um billigeren Preis erkaufen..." - so heißt es einmal bei Hofmannsthal. Ich fürchte, heute zahlt Julia Varady mit ihrem Herzblut.


 

Falstaff, Fuge (konzertant), München 1992

Dieter David Scholz, Mythos Primadonna. 25 Diven widerlegen ein Klischee. Gespräche mit großen Sängerinnen. Darin enthalten: "Mit Volldampf! Eine schöne Stimme allein reicht nicht." 9 Seiten Interview / Gespräch mit Julia Varady aus dem Jahr 1996. Parthas Verlag, 1999. ISBN 3-932529-27-8. DM 58,--. (Weitere Kapitel: Behrens, Borkh, Caballé, Dernesch, Fassbaender, Freni, Gruberova, Henschel, Jurinac, Kasarova, Lott, Ludwig, Mödl, Nilsson, Olivero, Rysanek, Schlemm, Schnaut, Schwarzkopf, Scotto, Silja, Söderström, Urmana und Varnay.)

Wo sind die Eroberer? Julia Varady und Dietrich Fischer-Dieskau über Verdi in der Gesangsausbildung, Verdis klingende Idiomatik, Verdis Szene und ein Stück Interpretationsgeschichte. Ein Interview von Stephan Mösch. Opernwelt, Jahrbuch 2000.

 

Duette-Abend mit Dietrich Fischer-Dieskau  

im Duett mit Fischer-Dieskau

Julia Varady

Berliner Kurier, 08.04.1997
Ressort: Kultur

Ich hab' doch alles erreicht": Sopranistin Varady tritt ab
Das trifft die Bühnenwelt wie ein Donnerschlag: Die Spitzensopranistin Julia Varady tritt ab! Urplötzlich und scheinbar aus heiterem Himmel nimmt die Sängerin mit der brillanten Stimme nach 36 Jahren ihren Abschied von der Opernbühne. Der KURIER wollte mehr wissen und telefonierte mit Julia Varady in ihrem Urlaubsort an der portugiesischen Algarve.

Es war ein sehr plötzlicher Entschluß", so die Sängerin. "Aber man sollte ja auf dem Höhepunkt einer Karriere abtreten." Anlaß für den plötzlichen Rückzug war, daß sie wegen Schmerzen in der Brust die Premiere als Senta im "Fliegenden Holländer" vor zwei Wochen an der Deutschen Oper absagen mußte. "Ich bekam eine schwere Bronchitis", sagt sie. Hinzu kamen schlimme Wechseljahrsbeschwerden mit den üblichen Hormonschwankungen. Nach einem gründlichen Check-Up riet der Arzt der Künstlerin zu einem einwöchigen Erholungsurlaub.

Die Krankheit war für die Varady wie ein Wink des Schicksals. In zwei Jahren wäre ihr Vertrag sowieso ausgelaufen. "Da kann ich auch gleich aufhören", sagt die Ehefrau von Weltklasse-Bariton Dietrich Fischer-Dieskau. "Schließlich haben sich all meine Träume erfüllt", sagt die Operndiva. Sie sang die schönsten Opern-Partien, von der "Elvira" in "Don Giovanni" bis zur "Violetta" in "La Traviata". "Ich habe mit den besten Leuten gearbeitet", resümiert sie. Doch ganz und gar zieht sich die schöne Sängerin noch nicht zurück: Konzertante Aufführungen gibt sie weiterhin in Berlin. Pa.

L’expérience fait le chef

 JULIA VARADY EN "SOLISTAS. LIED"

El lunes, 3 de septiembre, a las 21:00 horas GMT, la soprano Julia Varady acompañada al piano por Viktoria Postnikova ofrece el recital, "Wesendonck Lieder" con textos de Matilde Wesendonck y música de Richard Wagner. Una grabación efectuada en París el 17 de enero de 1998. Varady nació en Rumania en 1941, casada con el también barítono alemán Dietrich Fischer-Dieskau, cuenta con un material vocal de mucha personalidad con un centro rico y timbrado y agudos firmes y resplandecientes. Se inscribe en la categoría de soprano lírico-spinto, con capacidad para la coloratura.

Besprechung des Konzerts vom 31.3.2001 in Porto (portugiesisch)


Abschluss des Meisterkurses in Garmisch-Partenkirchen Juni 2004

 

Portraits und Interviews in Zeitschriften und Zeitungen (Auswahl)

"Die Unvergleichliche. Gespräch mit Sängerin Julia Varady". Münchner Merkur 12./13. Juni 2004

"Das schlummmert in einem Menschen". Julia Varady im Gespräch (Volker Ufertinger). Anläßlich des Meisterkurses mit Julia Varady bei den Richard-Strauss-Tagen in Garmisch. Münchner Merkur vom 17.06.04.

Julia Varady und ihr Meisterkurs Vorsingen oder nicht vorsingen? Garmisch-Partenkirchner Tagblatt vom 19./20. Juni 2004



The November 2004 issue of "Le Monde de la Musique" contains a 5 pages interview with Julia Varady."Un frisson nommé Varady".
Übersetzung des Artikels von M. Trauch "Ein Kribbeln namens Varady"


          herausgegeben von: © Monika Wolf, 1999-2021