Neue Westfälische 13.11. 2003

Meisterkursus mit Dietrich Fischer-Dieskau in der Musikhochschule Detmold

„Dann fegen Sie mal schön“

Detmold. Keine Handys, kein Hinauslaufen, keine Fotos, keine Störungen. Wer sich gestern im Brahms-Saal der Musikhochschule Detmold als Zaungast beim Meisterkursus von Dietrich Fischer-Dieskau eingefunden hat, der akzeptiert die Bedingungen – oder geht lieber gleich wieder.

Was dann aber doch keiner macht. Rappelvoll ist der Saal, der 100 Zuhörern Platz bietet. Und mehr als 200 Hände klatschen großen Beifall, als um Punkt 10.30 Uhr einer der bedeutenden Sänger der Gegenwart, der Maßstäbe im Liedgesang gesetzt hat, den Brahms-Saal betritt. Souverän begrüßt der 78-Jährige im schwarzen Polo-Pullover und gleichfarbiger Hose das Publikum – und bittet gleich die erste Studentin zu sich auf die Bühne. Schließlich soll hier gearbeitet werden.

Sie hat die Vertonung des Mörike-Textes „Begegnung“ von Hugo Wolf vorbereitet – und kommt kaum drei Takte weit, als Fischer-Dieskau auch schon unterbricht: „Das ganze Stück ist Bewegung. Da heißt es ja schon: Wie hat der Regen die Gassen ausgefegt. Dieser Regen, das sind Sie – dann fegen Sie auch mal schön.“ Worum sich die noch sichtlich nervöse junge Sängerin auch umgehend bemüht. „Komm, gleich noch mal“, feuert der Professor auch die Klavierbegleiterin an.

Falls die gedacht hatte, ihre Tätigkeit würde sich nur auf die Begleitung beschränken: weit gefehlt. Sie steht genauso in der Kritik des Meisters wie die Sängerin. „So, und jetzt mal beim Klavier die Klangfarbe ändern. Nicht mehr so ganz viel Pedal, zierlich, zierlich“, ruft er ihr zu. Kein Detail, keine Nuance entgeht ihm. Was allerdings auch kein Wunder ist.

Sein Workshop ist Programmpunkt in der „Wolfiade“, einer Veranstaltungsreihe zum 100. Todestag des Komponisten Hugo Wolf. Wenn es um Wolf geht, ist Fischer-Dieskau jedes Detail, jede Nuance bestens vertraut. Immerhin hat er kürzlich eine Monografie veröffentlicht zu Leben und Werk Wolfs, die einige der Zuhörer im Saal in der Tasche haben, in der Hoffnung, dass der große Sänger sie ihnen später signieren wird.

Der ist jetzt aber erst einmal vollauf beschäftigt. Feilt an der Aussprache seiner inzwischen gelasseneren Meisterschülerin, die lernbegierig jede der Korrekturen sofort umzusetzen versucht, interpretiert mit ihr gemeinsam den Text, kontrolliert die Atmung, fällt auch mal mit seinem weltberühmten Bariton in die eine oder andere Phrase ein. Nach einer halben Stunde ist sie entlassen. Und es geht gleich mit dem nächsten Studenten weiter.

Fünf Glückliche sind es, die Fischer-Dieskau als Meisterschüler angenommen hat. Bis einschließlich Samstag bekommen sie täglich drei Stunden Unterricht bei ihm. Und am Samstagabend präsentieren sie das Ergebnis dieses Kurses um 19.30 Uhr in einem Konzert in der Musikhochschule.

VON SABINE FLAMME-BRÜNE

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