Münchner Merkur, Dienstag, 6. Februar 2001

Königin Orgel

BR: Wagner-Chöre einmal anders

Der feine Chor des Bayerischen Rundfunks versteht sich auf viele Stile. Er brilliert im a-capella-Gesang, fasziniert in kompliziertesten modernen Sätzen und kann, wenn gefragt, auch mächtig aufdrehen.
Beim sonntäglichen Konzert im Münchner Gasteig war Wagner angesagt. Allerdings nicht ganz original, sondern ". . . einmal anders" - wobei sich das "anders" lediglich auf die Begleitung bezog. Denn kein großes Wagner-Orchester stand den Damen und Herren zur Seite, sondern (nur) die Gasteig-Orgel.
In der Tat hat der Meister selbst sie gelegentlich in seinen Bühnenwerken ("Lohengrin", Einzug ins Münster, "Rienzi" oder "Meistersinger"-Beginn) eingebaut, aber seine große Liebe galt der "unbehilflichen Orgel" nun doch nicht. Davon erzählte im charmanten Plauderton Dietrich Fischer-Dieskau. Er sprach - vom Publikum auch dafür liebevoll beklatscht - die Zwischentexte mit O-Tönen von Wagner oder von seinen Kritikern und Zeitgenossen und schlug die Brücke zwischen den Chorsätzen.
Erwin Horn war (mitsamt registrierender Ehefrau) eifrig beschäftigt, mit der Orgel das ganze Orchester zu ersetzen. Das gelang unterschiedlich, mangelt es doch der Königin der Instrumente an Flinkheit. Nicht nur das Oszillierende des (Streicher-)Klangs ist bei Wagner wichtig, auch die Bewegung in den schnellen Streicherläufen (etwa bei "Tannhäuser") möchte man nicht missen.
Der BR-Chor -bei "Parsifal" und "Meistersingern" von den vorzüglichen Augsburger Domsingknaben unterstützt - ließ, wie gewohnt, keine Wünsche offen. Perfekte Diktion, wunderbares Legato, ausgeglichene Tongebung, absolute Reinheit und genaue Beachtung der Dynamik sorgten für ungetrübten Hörgenuss. Michael Gläser kann sich auf seine Truppe verlassen; sie lohnt ihm seinen Einsatz. Zur großen Freude des Publikums.
Gabriele Luster