Hier spricht Fidi

Ob auf der Opernbühne oder im Konzertsaal, ob als Sänger oder als Dirigent - Dietrich Fischer-Dieskau, 78, hat in jeder Hinsicht Maßstäbe gesetzt. Die Londoner "Times" bezeichnete ihn als "besten Liedersänger der Welt", berühmt wurde der Bariton vor allem durch die Aufnahme aller 398 Schubert-Lieder. Als Sänger zog sich der Berliner Weltstar 1993 von der Bühne zurück. Da war er hoch dekoriert, Träger des Bundesverdienstkreuzes und des Orden pour le Merite, Ehrendoktor in Yale, Oxford, Heidelberg und an der Sorbonne. Der klassischen Musik ist "Fidi" Fischer-Dieskau aber treu geblieben. Als Dirigent, Hochschul-Professor und als Autor. Gerade ist sein aktuelles Buch "Musik im Gespräch" (Propyläen, 22 EUR) erschienen. BZ-Mitarbeiterin Julia Haungs traf den großen, alten Herrn der Klassik zum Gespräch.

Musik ist heute dauerpräsent: Nervt Sie Fahrstuhl-Musik? Ja, das nervt mich kolossal. Man findet überhaupt keinen Platz mehr, an dem nicht aus irgendeinem Lautsprecher Geräusche kommen. In einem italienischen Restaurant vermittelt es doch nicht unbedingt Opernstimmung, wenn aus dem Hintergrund irgendwelche Tenöre schmettern. Das hat mit bewusstem Operngenuss nichts zu tun.

Ihre Ehefrau Julia Varady hat sich auch von der Bühne zurückgezogen. Machen Sie noch gemeinsam Hausmusik? Ja, natürlich. Ich habe viel mit ihr gemeinsam einstudiert. Jetzt bereite ich mit ihr auch Aufgaben für ihre Schüler vor.

Vermissen Sie die Bühne? Gelegentlich schon. Auf der anderen Seite gefällt mir der Stil der Inszenierungen heute nicht mehr so. Ich erinnere mich einfach an großartige Aufführungen von früher, die dem Sinn der Opern entsprachen. Heute sind die Regisseure sehr selbstherrlich geworden.

Wären Sie denn auch gern in Stadien aufgetreten wie die "Drei Tenöre"? Nein. Ich mag den Event-Charakter solcher Konzerte nicht.

Sie hätten also auch nicht wie Pavarotti ein Duett mit einem Rocker singen wollen? Nein, das interessiert mich einfach nicht. Dieses Brücken-Schlagen-Wollen war ja bislang auch nie von großem Erfolg gekrönt. Warum darf das eine nicht neben dem anderen bestehen? Wir müssen nicht unbedingt miteinander Musik machen. Das ist wie wenn man Wasser in edlen Wein gießt.

Weinschorle schätzen Sie nicht so sehr? In diesem Fall nicht.

Haben Ihre 3 Söhne Sie früher mit Popmusik konfrontiert? Oh ja! Die hatten zusammen eine kleine Band, die sich aus dem Keller so laut über die Straße ergoss, dass ich eingreifen musste. Aber sie haben weitergemacht und bis zu einem beachtlichen Niveau selbst Musik gemacht, das hat mir schon gefallen.

Ihre Karriere ließ Ihnen wahrscheinlich wenig Zeit für Ihre Söhne, oder? Eine Zeit lang war ich allein erziehender Vater, aber es war immer eine schwierige Frage, wie viel Zeit des Tages ich mit den Kindern verbringen konnte. Ich musste ja Geld verdienen, ein großes Repertoire lernen in den entscheidenden Jahren. Das hat viel Zeit gekostet.

Leiden denn Ihre Söhne, die als Bühnenbildner, Dirigent und Cellist arbeiten, unter dem großen Namen des Vaters? Darunter haben sie bestimmt gelitten. Ich habe auch vorgeschlagen, den Namen zu ändern, aber das wollten sie nicht. Sie gestalten ihr Leben, wie sie es wollen und haben damit Erfolg, das ist das Entscheidende.

Berlins Opernhäuser arbeiten leider gerade nicht so erfolgreich. Braucht Berlin drei Opern? Ja, unbedingt. Die mangelnde Auslastung hängt von vielen Faktoren ab. Ich könnte mir vorstellen, dass qualitativ hochwertigere Produktionen mit besseren Sängern mehr Publikum anzögen.

Wie sollten die Opernhäuser auf die Misere reagieren? Die größte Anziehungskraft hat die Wahrhaftigkeit in Bezug auf das Werk. Wenn die Werke so inszeniert werden, dass auch ein ganz junger Mensch durch die Aufführungen eine Ahnung bekommt, dann wäre schon viel erreicht.

Wenn Sie Intendant wären, wie sähe Ihr Spielplan aus? Das weiß ich nicht. Das ist ja auch eine illusorische Frage, da ich nie Intendant werden wollte, obwohl ich mehrmals gefragt worden bin. Allenfalls der Umgang mit Menschen hätte mich locken können.

Was planen Sie denn für die nächsten Jahre? Ich bin eigentlich am Ende eines Lebens angelangt. Ich werde in anderthalb Jahren 80, da ist nicht mehr so viel Neues zu erwarten. Ich werde noch ein bisschen dirigieren. Ich werde schreiben, ich werde malen, das genügt. Dafür ist ein Tag fast schon zu kurz.

BZ vom 27.12.03, Seite 16

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