Berliner Morgenpost 18.4.2001

 Martin Fischer-Dieskau

Macht eine gute Figur:

Martin Fischer-Dieskau.

 

 

 

Seine Musikstreifzüge landeten im Kochtopf der Frau Bundespräsident
Der berühmte Name als Hindernis: Martin Fischer-Dieskau macht seine Dirigentenkarriere außerhalb von Deutschland
Von Klaus Geitel

 

Foto: Kövesdi

«Sachsens Glanz» nennt sich eine Konzertreihe in der Kölner Philharmonie, und über 2000 Zuhörer waren gekommen, die Sächsische Kammerphilharmonie aus Chemnitz zu bewundern. An ihre Spitze hatten die glänzenden Sachsen allerdings einen jungen Erz-Berliner gestellt, Sohn eines Ehrenbürgers der Stadt: Martin Fischer-Dieskau. Ihm gelang es, den Glanz Sachsens mit dem Taktstock durchaus zu erhöhen. Die Kölner jubelten ihm und seinem Orchester anhaltend zu.

Martin Fischer-Dieskau (42), mittlerer der drei Fischer-Dieskau-Söhne, die es alle drei in die Kunst verschlagen hat (der ältere arbeitet sehr erfolgreich als Bühnenbildner, der jüngere, in Paris lebend, spielt Cello in Saarbrückens Orchester) ist Professor für Dirigieren in Bremen. Dass er es kann, hat er nicht einzig jetzt in Köln unter Beweis gestellt. Im Augenblick verhandelt ein angesehenes amerikanisches Orchester mit ihm, ihn sich als Chef zu gewinnen.

«Ich bin immerhin seit rund zwanzig Jahren am Theater», merkt Martin Fischer-Dieskau an, «Zeit genug also, um sich rundum gründlich auszubilden. Ich habe inzwischen 40 verschiedene Opern dirigiert; darunter solche wie Schostakowitschs ,Lady Macbeth von Mzensk´, die man wirklich nicht gerade als musikalisches Kinderspiel bezeichnen kann. Ich habe dem großen, alten Antal Dorati als Assistent gedient und viel von seiner ungeheuren Erfahrung profitieren dürfen».

Auch in der ARD hatte sich Fischer-Dieskau als Moderator seiner «Musikstreifzüge» bereits einen geschätzten Namen gemacht. Doch dann kam Frau Bundespräsident Herzog, steckte mit ihrer Kochsendung die Musikstreifzüge buchstäblich in den Topf und kochte den Fischer-Dieskau jun. zunächst einmal einfach vom Bildschirm weg. Der Dirigent merkt dazu eher lakonisch an: «Karriere zu machen, bedarf eben auch eines gewissen Talents». Ihm hat offensichtlich nicht sonderlich viel davon in der Wiege gelegen. Seine Mutter Irmgard, eine bekannte Cellistin, war dem fünfjährigen Martin überdies traurigerweise hinweggestorben.

«Ein bekannter Name, wie der meine, den ich in aller Unschuld ererbt habe, ist vielleicht eher ein Hindernis. Man honoriert ihn nicht etwa, wie man denken könnte, man geht lieber vorsichtig zu ihm auf Distanz. Man traut ihm sozusagen nicht, wie jedem anderen, von vornherein mit den Ohren. Es kommen immer andere, zusätzliche Überlegungen mit ins Spiel, deren Opfer man zwangsläufig wird. Glücklicherweise gilt das nicht im selben Maß für das Ausland.

Martin Fischer-Dieskau hat in Turin höchst erfolgreich Mozarts «Don Giovanni» dirigiert, auf Hawaii, vor zehn Jahren schon, «Cosi fan tutte». Er war viele Jahre in Bern engagiert. In Tokios Suntory Hall am Herbert v. Karajan-Platz hat er mit dem Suzuki-Memorial-Orchester gearbeitet, in Tel Aviv leidenschaftlich Palästinenser und Israelis zu gemeinsamem Musizieren zusammengeführt.

«Je besser die Orchester, desto leichter der Job», konstatiert Fischer-Dieskau beiläufig und müht sich nach Kräften: ein dirigierender, weltläufiger, wohlerzogener Gentleman, der zu allem Überfluss vor seinen Orchestern auch noch fabelhaft Figur zu machen versteht. Das muss schließlich kein Nachteil sein.

Doch Martin Fischer-Dieskau seufzt dabei ein bisschen Gott ergeben von seiner attraktiven Leibeshöhe herab. «Ach, hören Sie auf! In Amerika hat man mich schon in Rezensionen schwarz auf weiß einen ,Ladies Conductor´ genannt. Lieber hätte ich es gehabt, von einem ,Haydn Conductor´ lesen zu können, der ich ja schließlich auch bin.» In manchen Berufen schlägt halt selbst das deutliche Gerühmtwerden unversehens zum Nachteil aus.