Zum Konzert am 30. September 1984 in Berlin


Der Tagesspiegel, Berlin 2. Oktober 1984

Sakrales im Konzertsaal

Reimann-Uraufführung mit dem RIAS-Kammerchor

[...]

Zwischen den beiden Werken erklang als Uraufführung Aribert Reimanns "Nunc dimittis" für Bariton-Solo, Baßflöte und vier- bis achtstimmigen Chor a cappella, eine von sprödem Ernst geprägte Vertonung der Verse 29 - 32 aus dem zweiten Kapitel des Lukas-Evangeliums. Palestrinensische Schlichtheit ist auch bei Reimann nicht intendiert; Eindringlichkeit bezieht das Werk vornehmlich aus seiner Komplexität, die freilich entschlüsselt sein will. Der lateinische Text ist dem Chor, die deutsche Übersetzung der Baritonstimme überantwortet. Das zum Schluß zitierte Kirchenlied "Mit Fried und Freud fahr ich dahin" und die Linien der von Karl-Bernhard Sebon mit der erwarteten Meisterschaft gespielten Baßflöte, die sich in einem anrührenden Solo aussingen darf, bezeichnen weitere Bedeutungsschichten eines Werks, dessen Rang sich dem Hörer nicht schon bei der ersten Begegnung voll entschließen dürfte. Der unbestrittene Erfolg war auch einer der Interpreten Fischer-Dieskau, Sebon, Gronostay und RIAS-Kammerchor. In den Beifall für sie stimmte auch der offensichtlich beglückte Komponist mit ein.

Hellmut Kotschenreuther

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