Zum Liederabend am 23. Februar 1982 in Zürich

    

     Die Tat, Zürich, Datum unbekannt     

    

Zürcher Konzerte

Liederabend Dietrich Fischer-Dieskau

     Grosser Tonhallesaal 23. Februar 1982

    

Fischer-Dieskau, der grosse Liedersänger, hat schelmische Züge hinzugewonnen, tragische auch, auch intellektuell-ironische und fratzenhafte - wie etwa, an diesem Strauss-Liederabend. in der Heine- Vertonung «Waldesfahrt», wo die drei Waldgeister in den Wagen des verträumt Reisenden hineingucken, neckisch grüssen und dabei einen Schauer den Rücken hinunterschicken. Eine solche vielgliedrige Liedszene - solche hat es mehrere an diesem reichen Abend gegeben - gestalten der Sänger und sein ebenbürtiger Partner Hartmut Höll am Klavier so charakteristisch in den einzelnen Versen und Facetten, dass man die Bilder vor sich zu sehen meint, die Dichtung und Musik beschwören: das «lustige Waldesgrün», durch das der Wagen in musikalischer Schwingung «rollt», die wachsende Introversion des erlebenden Subjekts, dann die Verwischung von Aussen und Innen, die Ankunft der Schattengestalten und ihr Gebaren: Fischer-Dieskau beherrscht auch als das ausführende Subjekt das Aussen wie das Innen; er verfügt, immer noch, über alle stimmlichen Mittel; deren er bedarf, um die wildesten und sanftesten Phantasien nachzuschaffen - fast hätte man gesagt, zu erschaffen, denn in den allerbesten Momenten entsteht das Lied von Richard Strauss, auch wenn man es schon gekannt hat, doch erst, wie er es singt.

Dabei ist der berühmte Baritonist nicht gegen kleine Versehen gefeit; gerade in der «Waldesfahrt» ist es ihm geschehen, dass die Geister nicht «hüpften», sondern «huschten» - und das nimmt die Wirkung des zweitletzten Wortes vorweg, das «huschen» heisst. Aber das bedeutet nicht gegenüber des Sängers unglaublichem Registerreichtum, im gesanglichen wie im Sprachlichen. Als Künstler bleibt er selber von dem gefangen, was er vermitteln will; wohl deshalb könnte man ihm - fast - unendlich lang zuhören.

ab.

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