Zum Konzert am 19. September 1976 in Berlin


Der Tagesspiegel, Berlin, 22. September 1976  

Henze Imperator

Der Komponist dirigierte die Philharmoniker - Julian Bream

Zwei der drei Werke, die Hans Werner Henze mit den Philharmonikern musizierte, gingen erstaunlich freigebig mit der Zeit um: das 1971/72 komponierte Orchesterstück "Heliogabalus Imperator" und "Novae de infinitum laudes" (1962), eine Kantate für vier Vokalsolisten, gemischten Chor und Orchester auf einen wissenschaftlichen Text Giordano Brunos. Während die Allegorie auf den jungen syrisch-römischen Kaiser Antonius, dessen blendende Schönheit für einige historische Augenblicke das Rom des Jahres 217 faszinierte, eher zu Reflexionen über musikalische Formprobleme einlud, vermochte die Bruno-Kantate nicht zuletzt durch den hervorragenden sängerischen Einsatz von Josephine Barstow (Sopran), Ortrun Wenkel (Alt), James Wagner (Tenor), Dietrich Fischer-Dieskau (Bariton) und den Chor der St.-Hedwigs-Kathedrale das Interesse bis zuletzt wachzuhalten.

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Wolfgang Burde

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     Rheinische Post, Düsseldorf, 23. September 1976  

Konzert-Zyklus bei den Berliner Festwochen

Die drei Gesichter des Hans Werner Henze

    

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Wuchtiger, bekenntnishafter Abschluß des Abends war die Kantate "Novae de infinito laudes" (Neue Lobpreisung des Unendlichen) nach Texten von Giordano Bruno (1548-1600)), die vom Westdeutschen Rundfunk 1963 in Venedig uraufgeführt wurde. Hier war die Huldigung an den großen Naturphilosophen Bruno, den die Inquisition verbrannte, am richtigen Platz. Die "Neue Lobpreisung" enthält Kerngedanken philosophischer und naturwissenschaftlicher Natur in dichterischer Sprache; im ersten Teil beispielsweise Brunos Theorie des Universums, eine hymnische Verkündigung der kopernikanischen Lehre. Das Werk gipfelt in der Darstellung des pantheistischen Lieblingsgedankens Brunos, der "absolutissima causa", des Alls als Gottheit.

Henzes musikalische Durchdringung dieses zwar enthusiastischen, aber auf weite Strecken doch spröden Textes ist von einer außerordentlichen Frische und Spontaneität. Die Begeisterung, der Bekennermut, die Giordano Bruno beseelten, klingt aus dem trotzigen, revolutionären Gestus der Musik wider. Sie wird sowohl den erhabenen Gedanken des Philosophen in strengen Klangstrukturen gerecht, wie sie auch die Naturschilderungen liebevoll begleitet, beispielsweise in der Symbolisierung der Nacht durch eine Sequenz von Tuba, Fagott und Posaunen.

Das große, edle und schöne Werk, das in Berlin enthusiastischen Beifall fand, sollte nun endlich auch in das Repertoire der großen Laienchöre Einzug halten, es hat klassisches Format.

Ausführende von der Kompetenz der Philharmoniker, des Chores der St.-Hedwig-Kathedrale und der Solisten Josephine Barstow, Ortrud Wenkel, James Wagner und Dietrich Fischer-Dieskau (der seinen Part schon bei der Uraufführung gesungen hatte) wird man allerdings selten vereinen können. Henze war seinem Werk ein zwar nicht brillanter, aber sicherer Anwalt.

Alfons Neukirchen

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