Zu den Konzertabenden im Januar 1976 in Tel Aviv


     Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. Januar 1976     

      

Fischer-Dieskau als Sänger und Dirigent

Gastkonzerte in Tel Aviv

TEL AVIV, im Januar 1976

Große deutsche Vokalmusik aus drei Jahrhunderten standen im Mittelpunkt der Konzerte, die in den Chorprogrammen der jetzt nach Stuttgart zurückgekehrten Gächinger Kantorei unter Leitung ihres Dirigenten Helmuth Rilling und in den Liederabenden Dietrich Fischer-Dieskaus in Israel ein enthusiastisches Publikum fanden.

Das unter dem Patronat des deutschen Botschafters in Israel, Per Fischer, stehende Gastspiel beschlossen zwei beispielhafte Aufführungen des "Deutschen Requiems" von Johannes Brahms mit Julia Varady und Fischer-Dieskau als unübertrefflichen Solisten. Fischer-Dieskau widmete einen Liederabend den Kompositionen von Gedichten Joseph von Eichendorffs von Schumann bis Pfitzner und einen zweiten der Vertonung von "Wunderhorn"-Liedern Gustav Mahlers. Dieser Tage beginnt er eine Reihe von sechs Konzerten als Dirigent der Israel Philharmoniker, mit denen auch die Gächinger Kantorei musizierte.

Als Gast des deutschen Kulturzentrums an der Botschaft der Bundesrepublik wurde der Berliner Organist Heinz Lohmann herzlich begrüßt; er spielte in Tel Aviv Orgel- und Cembalomusik. In der protestantischen "Erlöserkirche" in der Altstadt von Jerusalem spielte er auf Einladung von Probst Glatte Orgelwerke von Johann Sebastian Bach und begleitete die Altistin Ursula Maier-Reinach in geistlichen Konzerten von Heinrich Schütz.

-tz

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   Der Aufbau, New York, 20. Februar 1976   

Ohne Trommeln und Fanfaren

Der zweite Deutsche Kulturmonat in Israel war ein voller Erfolg

   

JERUSALEM. - Gebrannte Kulturattachés scheuen das Feuer. Auch als sich im Herbst 1975 zeigte, daß sich in Israel rund um die Jahreswende und den ganzen Januar 1976 hindurch Gastspiele, -konzerte und -vorträge prominenter Besucher aus der Bundesrepublik häufen würden wie noch nie in ihrer und Israels Existenz, nahm man auf der Deutschen Botschaft in Tel Aviv davon Abstand, so etwas wie einen "Monat deutscher Kultur" zu proklamieren und zu plakatieren.

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In der Tat war es die Botschaft der Musik, die im nicht so genannten "Deutschen Kulturmonat" in Israel am vornehmlichsten und in der vollendetsten Form zur Geltung gebracht wurde - vor allem durch die meisterhaft geschulten Chorsänger der Gächinger Kantorei aus Stuttgart unter ihrem Dirigenten Helmuth Rilling im Zusammenwirken mit dem heute wohl grössten "Liedersänger" der Welt, Dietrich Fischer-Dieskau, mehreren anderen ausgezeichneten Solisten und dem Israelischen Philharmonischen Orchester.

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An der (auf Tel Aviv beschränkten) ergreifenden Aufführung der Gächinger Kantorei vom Deutschen Requiem von Brahms wirkte als Solist Fischer-Dieskau mit, ebenso die aus Rumänien stammende, international bekannte Sopranistin Julia Varady. Fischer-Dieskau blieb noch mehrere Wochen in Israel, widmete einen seiner Liederabende den vielfachen Vertonungen von Eichendorff-Gedichten, einen zweiten den Gustav-Mahler-Vertonungen von Gedichten aus "Des Knaben Wunderhorn", außerdem dirigierte er auch eine Reihe von Sinfonie-Konzerten der Philharmoniker. Als Liedersänger wurde Fischer-Dieskau vom Publikum begeistert gefeiert und von der Presse einmütig hoch gepriesen. Als Dirigent wurde er in einigen Blättern jedoch mit gemischten Kritikergefühlen empfangen.

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Erich Gottgetreu

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   Vorwärts, Bonn, 14. Februar 1976  

Bonns auswärtige Kulturpolitik trägt auch gute Früchte

GÄCHINGER KANTOREI UNTER HELMUT RILLING MIT FISCHER-DIESKAU STÜRMISCH GEFEIERT

V o n   M a t t h i a s   E p p i n g

Von dem Dirigenten Helmuth Rilling und seiner Gächinger Kantorei läßt sich uneingeschränkt sagen, daß sie zu den deutschen Ensembles gehören, die im Ausland für eine optimale Repräsentation deutscher Musikkultur sorgen. Umso mehr mag man sich wundern, vor allem nach den herausragenden Erfolgen 1974 in Japan und jetzt in Israel, warum diese Gruppe, außer im süddeutschen Raum bei uns immer noch nicht die ihr zukommende überregionale Bedeutung erlangt hat und bisher mit keiner der großen Schallplattenfirmen ins Geschäft gekommen ist.

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Aber Brahms und Schubert wurden ohnehin zu Höhepunkten in beiden Programmen. Eindringlichere, sprachorientierte, zwischen dramatischer Zuspitzung und elegisch-verströmender Trauer mehr ausgependelte und dabei stets unmittelbar anpackende Darstellungen des Brahms-Requiems, des Schicksalsliedes, der Schubert-Messe und seine "Gesang der Geister über den Wassern" für Männerstimmen und tiefe Streicher scheinen undenkbar. Rilling ist in diesen Konzerten über sich selbst hinausgewachsen, so daß sogar der hier sehr beliebte Dietrich Fischer-Dieskau, der in der zweiten Requiem-Aufführung wunderbar gesungen  hat, in der Wirkung bei den Israelis hinter den Chor und seinen Dirigenten zurücktreten mußte. Helmut Rilling, der bei uns ein bißchen als Bach-Dirigent abgestempelt ist, hat hier bewiesen, welchen genuinen Zugang er gerade zur romantischen Literatur findet.

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   Musica, 2/76   

ISRAEL

Hellmuth Rillings Erfolge mit Brahms

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Der Feuerhauch dieser Interpretationen ist von den Israelis, wie die Begeisterung und Gespräche mit Fachleuten bewiesen, verstanden, deren Exzeptionalität gewürdigt worden. Selbst Fischer-Dieskau mußte hier hinter dem Chor und Rilling zurücktreten, was für Israel einiges sagen will.

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Im Januar kam es dann zu einer Art Fischer-Dieskau-Festival. Der Sänger ist in Israel so beliebt, daß er als vermutlich einziger ohne Subventionen hier auftreten kann. Gemeinsam mit Karl Engel trug er Eichendorff-Lieder in Vertonungen von Mendelssohn, Schumann, Pfitzner sowie Bruno Walter und Schwarz-Schilling vor. Ein so ausgefallenes Programm, an dem Fachleute das Fehlen jeglicher Moderne beanstandeten,, bringt aber auch in Tel Aviv kein ausverkauftes Haus, zumal das Mann-Auditorium dreitausend Plätze faßt. Sein zweites Recital-Programm war Mahlerschen Gesängen auf Texte aus "Des Knaben Wunderhorn" vorbehalten. Nach den Konzerten mit Rilling hat Fischer-Dieskau dann noch eine Serie von Abenden mit dem Israel Philharmonic Orchestra als Dirigent zusammengearbeitet. Kernstück seines in Tel Aviv und Jerusalem vorgetragenen Programms war nichts Geringeres als die vierte Sinfonie von Brahms. Fischer-Dieskau genießt in Israel ein uneingeschränktes Ansehen. Und wenn es heute in diesem Lande wieder möglich ist, deutschsprachige Musik vorzutragen, dann hat er wesentlich mit seinen Liederabenden dazu beigetragen, ja nach Ansicht israelischer Beobachter sogar den Durchbruch bewerkstelligt.

Hanspeter Krellmann

 

   

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Berliner allgemeine jüdische Wochenzeitung, Berlin West,
 30. Januar 1976

Musikalischer Kulturaustausch mit Israel

Von Peter Gradenwitz

Die kulturellen Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik haben sich in den letzten Jahren verstärkt und vertieft.

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Ein von literarischer und musikalischer Warte gleich beglückender Abend war dagegen der erste Liederabend, den Dietrich Fischer-Dieskau in Tel Aviv gab. Im Mittelpunkt des Programms standen Werke von Joseph von Eichendorff, vertont von den sechs Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy, Robert Schumann, Hans Pfitzner, Bruno Walter, Reinhard Schwarz-Schilling und Hugo Wolf. Sie haben die Musik dieser lyrischen Gedichte in ihre eigene musikalische Sprache übertragen, so daß über den gesamten Abend eine Atmosphäre glücklicher, ja zauberhafter Hingabe an die schönen Seiten des Lebens, an Naturgefühl und Liebe, Glaube und Seelenfreude lag. Das Publikum zeigte sich - gerade in dieser für Israel so schweren Zeit - besonders dankbar für die herrliche Poesie, die schöne Musik und die wunderbare Wiedergabe.

Das zweite Liedprogramm widmete Fischer-Dieskau den Lieder aus "Des Knaben Wunderhorn" von Gustav Mahler, die im Gegensatz zu Eichendorff Weltschmerz und Zerrissenheit ausdrückten.

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In der Januarreihe der philharmonischen Abonnementskonzerte dirigiert Fischer-Dieskau das Orchester in klassischer und romantischer Musik.

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