Zum Konzert am 13. September 1975 in Berlin


Frankfurter Allgemeine, 16. September 1975

Mehtas virtuose Attacken

Die Israel-Philharmoniker bei den Berliner Festwochen

[...]

Das zweite Konzert im Rahmen der Festwochen fand am 13. September, an Arnold Schönbergs Geburtstag, statt. Zu Beginn des Abends spielten die Israel-Philharmoniker Schönbergs "Variationen für Orchester" op. 31, das Werk, das im Festwochenprogramm des Schönberg-Jahres 1974 an derselben Stelle von den Berliner Philharmonikern und Herbert von Karajan gespielt werden sollte und kurzfristig vom Programm abgesetzt wurde. Zubin Mehta und sein Orchester boten eine Wiedergabe, die keine Wünsche offen ließ und in der die an den Variationen teilnehmenden Orchestergruppen auch klanglich äußerst differenziert gegeneinander und miteinander musizierten.

Kaum enden wollender Beifall dankte den Israel-Philharmonikern für die vollendete Darstellung des bedeutenden Werkes, der dann das noch unendlich tiefer gehende Erlebnis der "Kindertotenlieder" mit Fischer-Dieskau folgte. Hier kam noch hinzu, daß Dietrich Fischer-Dieskau und die Israel-Philharmoniker musikalisch miteinander vertraut waren: Fischer-Dieskau hat mit ihnen in Israel gesungen und hat sie dort auch dirigiert; in beiden "Rollen" wird er im kommenden Januar wieder in Israel erwartet.

Peter Gradenwitz

_________________________________

   

     Die Welt, Ausgabe B, Berlin-West, 15. September 1975        

In Berlin gab das Israelische Philharmonische Orchester das stürmisch gefeierte Debüt seiner Deutschlandtournee

Zum Welterfolg gezwungen

[...]

Fischer-Dieskau sang Gustav Mahlers "Kindertotenlieder". Und abermals schien er seine Interpretation vertieft zu haben. "Ganz am Ende wirft die Kunst den Schein der Kunst ab", heißt es bei Thomas Mann. Diesen höchsten Grad interpretatorischer Erfüllung hat Fischer-Dieskau in diesem Konzert ersungen.

Er wäre zweifellos nicht zu erreichen gewesen ohne das mitatmende Zuspiel des Orchesters, das von Zubin Mehta mit größtem Einfühlungsvermögen gelenkt wurde.

[...]

Klaus Geitel

_________________________________

   

     Berliner Morgenpost, 16. September 1975        

Musikalisches Festivalprogramm am Wochenende

Israels Philharmoniker begeisterten unter Mehta

    

Zu einem der Festwochen-Eindrücke, die noch lange im Gedächtnis haften werden, zählt unbedingt das zweite Programm des Gastkonzertes der Israelischen Philharmoniker unter ihrem Chefdirigenten Zubin Mehta, vor allem Mahlers "Kindertotenlieder", mit Dietrich Fischer-Dieskau als unüberbietbarem Solisten.

Diese Lieder gewannen eine derart hochgezüchtete Sensibilität und atmosphärische Dichte, daß selbst die verwöhntesten Berliner Ohren nur Anlaß zu Bewunderung fanden.

[...]

Wilfried W. Bruchhäuser

_________________________________

   

     Der Tagesspiegel, Berlin, 16. September 1975       

Stockhausen in eigener Sache

Der Komponist als Dirigent eigener Werke - Festwochenkonzerte

[...]

Es ehrt das Israel Philharmonic Orchestra besonders, wie es seine Solisten umhegt. Im Falle des zweiten Festwochen-Konzerts, das die Gäste unter der Leitung Zubin Mehtas in der Philharmonie gaben, war das interpretatorische Wunder, das sich mit den "Kindertotenliedern" Gustav Mahlers ereignete, nicht zuletzt den Instrumentalisten zu verdanken. Dietrich Fischer-Dieskau hat viel Mahler gesungen, hat dessen Ton immer wieder kongenial getroffen, aber selten wurde diese Übereinstimmung mit dem Orchester-Filigran erreicht, dieses Anschmiegen der Bläserstimmen an den Gesangspart, das zärtliche, leise Abphrasieren in den Streichern. Mehr als Sorgfalt und Verantwortung schienen am Werk: eine von Mehta auf das Orchester übertragene Sensualität für das musikalische Atmen des Sängers, die ebenso faszinierte wie dieser selbst.

[...]

Wolfgang Molkow

_________________________________

   

     Der Abend, Berlin-West 15. September 1975     

Zubin Mehta in der Philharmonie

   

Der Glücksfall des ersten Mehta-Konzertes wiederholte sich nicht in vollem Umfang. Das Israelische Philharmonische Orchester begann mit Schönbergs Orchester-Variationen op. 31, einem seiner bedeutendsten Werke, das übrigens von Furtwängler 1928 in der alten Philharmonie uraufgeführt wurde. Dabei machte sich aber trotz aller Intensität des Spiels ein gewisser Mangel an Souveränität bemerkbar; die Musiker standen noch nicht so recht über ihrer Aufgabe.

[...]

Fischer-Dieskau sang, wie schon öfter, Mahlers packende "Kindertotenlieder" nach Rückerts Gedichten mit Stimmkultur und Ausdruckskraft. Vorbildlich muß man die Begleitkunst nennen, die Mehta und seine Musiker dem Sänger in den instrumentalen Nachspielen zuteil werden ließen. Diese Gäste aus Israel werden uns immer wieder willkommen sein.

W. S.

_________________________________

   

     Wiesbadener Kurier, 18. September 1975     

Berliner Festwochen

Glanzvolle Parade der Orchester und Dirigenten

Eine Fülle eigener und auswärtiger Beiträge

[...]

Und wieder eine auswärtige Musikvereinigung von hohem Rang: das Israel Philharmonic Orchestra. Sein Klang hat nicht die Klarheit der New Yorker und erst recht nicht die Präzision der Berliner, ist kompakter, in den Instrumentalgruppen fast ein wenig verschwommen. Und doch vermag dieses Orchester mit seinem feurig musikantischen Spiel mehr mitzureißen als die zuvor genannten Gäste. Freilich, am Pult steht Zubin Mehta, ein Imperator, der seinen Stock mit einer vorantreibenden Vehemenz niederfahren läßt, als gälte es Dajans Blitzkriegsstrategie in Musik umzusetzen. Allein, das Orchester scheint sich gegen die blitzartig geforderte Reaktionsfähigkeit zu wehren, so daß etwa Schönbergs "Variationen für Orchester" op. 31 eigentümlich schillernd gerieten, während es den geschichteten Klangblöcken in Strawinskys "Le sacre du printemps" wiederum an Schärfe mangelte.

Erstaunlich dagegen, wie sehr Mehta die D-Dur-Sinfonie Schuberts (Nr. 3) aus dem Geist der Wiener Klassik zu entwickeln wußte. Die Stärken dieses Orchesters liegen ganz eindeutig dort, wo die aus aller Herren Länder zusammengekommenen Musiker lyrischen Stimmungsgehalten mit warmer Streichergrundierung nachspüren dürfen, wo das Orchester seine Farbenpracht entfalten kann. Beides gelang dann auch in Mendelssohns Violinkonzert wie in Mahlers Kindertotenliedern mit bewegender Vollendung. Hier wie dort wurden die israelischen Musiker - unter ihnen viele prachtvolle Instrumentalisten u.a. der erste Oboist - allerdings von Solisten inspiriert, deren hochgradige Musikalität und deren Künstlertum ihresgleichen sucht. Für Itzhak Perlman scheint es zudem keinerlei technische Probleme zu geben, so daß er sich etwa im Finalsatz des Scherzandos in völliger Gelöstheit seinem gleich schmelzreichen wie lyrisch-zarten Spiel hingeben kann. Ebenso vollkommen und auf seine Weise immer noch unübertroffen beherrscht Dietrich Fischer-Dieskau sein kostbares Instrument Stimme, bei dem sich hier, so ausgewogen wie selten, musikalische Intelligenz und geistige Reflektion zu einer künstlerischen Einheit verschmelzen.

[...]

Bernd Kima

_________________________________

   

     Wiesbadener Tagblatt, 17. September 1975         

Eine Nacktbadewanne in Form des Mittelmeers....

Entdeckungen und Erkenntnisse bei der Musik der Berliner Festwochen

[...]

Und Zubin Mehta, der mit Israels Philharmonikern kam, bot Schönbergs Variationen op. 31 plastischer und farbiger, als man es bislang kannte. Mit Fischer-Dieskau gab er eine ergreifende Darstellung von Mahlers "Kindertotenliedern" - der phantastisch disponierte Bariton sang entrückt und konzentriert, mit Nuancen, die in ihrer Dezenz und Eindringlichkeit unmittelbar überwältigten.

[...]

W.-E. v. Lewinski

_________________________________

   

     Westfälisches Volksblatt, Paderborn, 20. September 1975    

Berliner Festwochen 1975

Zubin Mehta führte sein Orchester auf ungeahnte Höhen

Philharmoniker aus Israel begeisterten die Zuhörer

[...]

Am zweiten Abend beginnt Mehta wiederum mit zarter Filigran-Arbeit: Variationen für Orchester von Arnold Schönberg, eine Art Vorspiel für Gustav Mahlers "Kindertotenlieder", gesungen von Dietrich Fischer-Dieskau. Diese auf den Tod eines Kindes von Friedrich Rückert geschriebenen Verse sollte man lesen, bevor man sie dann hört. Sie sind wunderbar schön. Dietrich Fischer-Dieskau setzt sein enormes künstlerisches und sängerisches Können ein, Mehta musiziert, als stünde er allein mit dem Solisten auf dem Podium und es entsteht ein ganz zartes, über die Maßen anrührendes Weinen um ein Kind.

[...]

M. Höpker-Aschoff

zurück zur Übersicht 1975
zurück zur Übersicht Kalendarium