Zum Liederabend am 8. Oktober 1973 in Innsbruck


Tiroler Tageszeitung, Innsbruck, 10. Oktober 1973 

Fischer-Dieskau / Richter: Partnerschaft zweier großer Solisten

Beginn der Reihe "Berühmte Solisten" mit Hugo Wolfs Mörike-Liedern im Großen Stadtsaal – Begeistertes Publikum – Vier Zugaben

Gleichsam mit einem vollen Akkord, mit einem Liederabend Dietrich Fischer-Dieskau / Sviatoslav Richter, setzte die Reihe "Berühmte Solisten" des Kulturringes Tirol ein.

Gestaltet wurden von diesen beiden Musikern Lieder von Hugo Wolf nach Texten von Eduard Mörike, viele, die selten in Konzerten gesungen werden, gemischt mit solchen, bei denen sich für jeden Liebhaber die Musik in einem Maße mit dem Text vereint hat, daß dieser ohne die klangliche Deutung kaum mehr erlebt werden kann. Es ist überflüssig, über die stupende Instrumentbeherrschung Sviatoslav Richters zu handeln. Jeder hinlänglich Interessierte ist mit ihnen vertraut. Und so selbstverständlich sie bei diesen beiden Solisten dem Hörer geworden sind, sie waren für die Gestaltung dieses von Musikern zusammengestellten Programms nicht maßgeblich. Maßgeblich dafür war der dichterische Gehalt jedes einzelnen Stückes, seine durch Hugo Wolf mit gedanklicher Tiefe, mit realistischer Präzision vorgenommene musikalische Deutung, war das Erlebnis, das Wort und Musik für Fischer-Dieskau und Richter bedeuteten und an dem sie ihren großen, aufmerksam gespannten Hörerkreis teilnehmen ließen.

Soll angesichts der Komplexität solcher Darbietung über Details berichtet werden, etwa über die Zartheit von Piani des Sängers, die kaum mehr gehört, fast nur gedacht und empfunden werden konnten, über die Realistik der Darstellung etwa im Feuerreiter, die gleicherweise mit intensivster Deutlichkeit vom Sänger und vom Pianisten ausgemalt wurden, von der wunderbar schönen vollen Stimmentfaltung, die sich Dieskau nur für einen wohlüberlegten und seltenen Einsatz vorbehielt oder die Delikatesse einer pianistischen Untermalung, die unauffällig und doch sinngerecht die zarten Empfindungswelten manches Gedichtes vertiefte, die bewegte Lebendigkeit der Gestaltung der Wanderlieder, von der humorigen Sachgerechtigkeit der Begleitung der drei letzten Stücke berichten? Wir glauben damit die Geschlossenheit des Eindrucks eines kostbaren Erlebnisses zu zerpflücken.

Pickl-Straffner

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