Zur Oper am 28. September 1970 in Berlin


Der Tagesspiegel, Berlin, 30. September 1970 

Heimkehr des Grafen

"Figaros Hochzeit" in der Deutschen Oper

Der "Figaro" in den Bühnenbildern Michel Raffaëllis gehört mit seiner rokokonahen Modernität zu Sellners schönsten Inszenierungen. Die 113. Aufführung in der Deutschen Oper sah die Premierenbesetzung aus dem Jahre 1963 mindestens zur Hälfte noch einmal versammelt, an der Spitze Dietrich Fischer-Dieskau, der in der Rolle des Grafen Almaviva nun nach über zweijähriger Pause zum erstenmal wieder auf der Berliner Bühne stand. Daß der Darsteller Fischer-Dieskau dem Musiktheater wiedergegeben ist, kann nach diesem Abend nur nachdrücklich begrüßt werden, denn seine szenenbeherrschende Präsenz, die Interessantheit seiner Reaktionen, Gesten, Blicke, kurz: seine auf dem Opernsektor wohl einmaligen schauspielerischen Gaben machten bewußt, daß man eine wichtige Dimension des Interpreten Fischer-Dieskau lange vermißt hat. Sein Graf ist jetzt, so schien es, weniger Despot als vormals, etwas menschlicher geworden vielleicht, auch in seinem Zorn, von Anfang an mehr auf den versöhnlichen Schluß ausgerichtet. Stimmlich war dieses "Comeback" ohne Fehl.

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S. M

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