Zum Liederabend am 26. Oktober 1967 in Duisburg


Westdeutsche Allgemeine, Duisburg, 28. Oktober 1967 

Kein Schaden für Schumann

Dietrich Fischer-Dieskau gab einen Liederabend

Der Liederabend Dietrich Fischer-Dieskaus in der Mercatorhalle war Robert Schumann gewidmet. Dem vielseitigen Sänger sei gedankt, daß er seine Kunst diesmal nur der einen Meisterhandschrift zuwandte. So kam sie in ihrer ganzen Ausdrucksspannung, poetischen Empfindsamkeit und romantischen Beseelung ans Ohr.

Die Frage, welche Beziehung das heutige Publikum überhaupt noch zum Kunstlied habe, beantwortete der ausverkaufte Saal. Fischer-Dieskau hat zweifellos der im Ansehen gesunkenen Gattung eine Bresche zu neuer Beachtung geschlagen, Verdienst der einfühlenden Nachdrücklichkeit von Kultur seines Vortrags. Von der tragfähigen Schönheit und den männlichen Farben seines Baritons war man schnell wieder fasziniert.

Wie intensiv Fischer-Dieskau gestaltet, ist bekannt. Aus der Polarität von Wort und Ton, von dichterischem Bild und seiner musikalischen Überhöhung zieht er die nachschaffende Bilanz mit dem Willen zu effektbetont gesteigerter Wirkung. Das ist zunächst wohl mehr ein Vorgang intelligenten Formbewußtseins als intuitiver Begnadung, ein synthetisches Verfahren mit nicht unangreifbarem, doch werkgerechten Maßstäben durchaus standhaltendem ästhetischem Ergebnis.

Auch an diesem Abend hätte man dem Sänger gewisse deklamatorische Freiheiten vorwerfen können. Dennoch hätte niemand behaupten dürfen, dem musikalischen Gesetz Schumanns sei dadurch Schaden geschehen. Im Gegenteil: Fischer-Dieskau erfüllt es gerade im bewußt pointierten Ausdrucksgefälle seiner Kunst geschmackvoll attraktiv, und Günther Weißenborns Begleitung am Flügel weiß sich mit dieser geisterhellten kultivierten Vortragsbedeutsamkeit ideal einig. A. v. D.

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