Zur Oper am 6. August 1967 in München


Oper und Konzert, München, Datum unbekannt

Arabella

Nationaltheater

Es ist sicher besser, wenn man von einer Sängerin sagen kann "Sie singt diese Partie nicht mehr" statt "Sie singt diese Partie immer noch". Trotzdem schleicht sich Wehmut ein: Lisa della Casa nimmt Abschied von der Arabella-Zeit, von jener Rolle, die ihren Weltruhm begründete, als sie das aristokratische Geschöpf zum ersten Male am 28. Oktober 1952 im Münchner Prinzregententheater sang. Weitaus besser disponiert als in den letzten Jahren, ohne jedes Detonieren, Zutiefsingen, war sie noch einmal Sinnbild ewiger Jugend, wunderschön anzusehen und oft wunderschön singend. War in den letzten Jahren mehr zu bewundern, wie virtuos Frau della Casa den Strauss’schen Parlando-Stil beherrscht und sich elegant über das Ariose schwindelt, so lehrte sie an diesem glückgesegneten Abend ihre Sternenbahn verstehen. Die weitgeschwungenen Kantilenen entfalteten ihren Zauber in klangvollem Forte wie im tragenden Piano, das E-Dur-Duett war ein Ereignis, die Spitzentöne leuchteten triumphal - und nicht nur in der so differenzierten, die Seele Arabellas enthüllenden Gestaltung der Partie, auch im Kantablen lebte die zauberhafte Komtesse Waldner. Wer hätte nach den letzten Festspielen gedacht, daß uns der Abschied so schwerfallen würde? Mit "Arabella" geht ein Teil unserer Jugend - aber noch den Enkeln werden wir erzählen: diese Allerschönste hat einmal die schöne Lisa dellla Casa gesungen.

Und wir werden ihnen auch von Anneliese Rothenberger erzählen, die in Zdenka eine ihrer glücklichsten Rollen gefunden hat. Von der Adelaide Ira Malaniuks werden wir lieber schweigen, und sollte das Gespräch auf die Kartenaufschlägerin kommen, so werden wir uns wohl eher des Kabinettstücks Cäcilie Reichs erinnern als nun Gudrun Wewezows. Die Fiakermilli Elisabeth Harwoods ist schon vergessen.

Dietrich Fischer-Dieskau ist der Richtigste unter allen denkbaren Richtigen für den "Richtigen" - aber in Fritz Uhl als Elemer hat er einen heldentenoralen hochachtbaren Nebenbuhler, und auch Georg Paskudas Matteo wartet mit einigen strahlenden Tenorhöhen auf. Die Bekanntschaft Arabellas mit Lamoral (Günther Missenhardt) und Dominik (Carl Hoppe) dürfte allerdings mehr auf die bescheidene soziale Situation der Familie Waldner zurückzuführen sein. Die Münchner "Arabella"-Besetzung weist für den Rittmeister einige erste Namen auf: Hann, Kusche, Edelmann - aber Kurt Böhmes Persönlichkeit und Künstlertum gewinnt dem heruntergekommenen, kartenverfallenen und doch in entscheidenden Momenten seiner aristokratischen Herkunft und Lebenshaltung bewußten Grafen neue Dimensionen, neues Format.

Daß die Münchner "Arabella" eine der schönsten Inszenierungen Rudolf Hartmanns ist, wurde hier schon mehrmals in Prosa hymnisch besungen. Joseph Keilberth, idealer Sängerbegleiter, webt den Klangteppich sehr durchsichtig und zart - über die Tempi läßt sich wohl streiten. Daß das Grundzeitmaß bei Strauss Allegro ist, ist kaum mehr zu erkennen. Da vieles verschleppt und spannungslos wirkt, kommen leider die Schwächen der Partitur sehr zum Vorschein.

Dr. Klaus Adam


   

     Oper und Konzert, Datum unbekannt     

   

"Arabella"

    

zählt zu den unverwelklichen Ruhmesblättern der Bayerischen Staatsoper. Sie genießt in der Musikwelt dank Rudolf Hartmanns subtiler Inszenierung, dank Joseph Keilberths faszinierender Kunst, den samtenen Klangteppich der Musik behutsam und feinfühlig in seiner ganzen verhalten leuchtenden Farbigkeit zu entfalten, und dank der sängerischen Glanzleistungen einen geradezu legendären Ruf, den die diesjährige erste Festaufführung erneut bestärken konnte. Lisa Della Casa als bildschöne, sich dem Wunder der großen Liebe entgegensehnende und von ihm glückhaft verzauberte Arabella, Dietrich Fischer-Dieskau als leidenschaftlicher, sich in seinem starken Gefühl unmittelbar mitteilender, herzensguter und stolzer Mandryka und Anneliese Rothenberger als liebliche, hingebungsvolle Zdénka waren wieder die enthusiastisch umjubelten Protagonisten, die durch die unerhörte Prägnanz ihrer Gestaltung und durch verschwenderische Stimmpracht begeisterten. Neu im Ensemble waren diesmal Kurt Böhme, der dem vom Spielteufel besessenen abgewirtschafteten Grafen Waldner die "Tenue" des Aristokraten zurückgab. Elizabeth Harwood, die die Fiakermilli mit fast dramatischem Koloratur-Applomb, aber leider ohne den erforderlichen kessen Charme sang, und Gudrun Wewezow als geschäftige Kartenaufschlägerin. Die übrigen Hauptpartien waren mit Ira Malaniuk (Adelaide), Georg Paskuda (Matteo) und Fritz Uhl (Elemer) in vertrauter Weise besetzt.

Claus R. Schuhmann

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