Zur Oper am 21. August 1964 in Salzburg

Oper und Konzert, München, 20. September 1964   

Figaros Hochzeit

Kleines Festspielhaus

Mozart’sche Heiterkeit wollte sich an diesem Abend nicht einstellen; allzu viele geradezu mozartfeindliche Faktoren versperrten ihr den Weg in das Kleine Festspielhaus, das überdies durch seine ungünstigen Proportionen kein gutes Raumgefühl und damit keine gelöste und aufnahmebereite Atmosphäre geben kann. Sehr wenig mozartgemäß fand ich auch Michael Raffaellis Bühnenbilder: nüchterne Drahtgitterkäfige auf kahler, weißer Bühne. Es war schon recht merkwürdig, daß sich z.B. Cherubino vor dem Grafen nur hinter Maschendraht "verstecken" konnte, ganz abgesehen davon, daß das Intime, Bergende, also das Wesen eines Zimmers von vornherein fehlte. Daß das Zimmer der Gräfin von etwas dichteren Gittern begrenzt, seine Fenster und Türen etwas reicher dekoriert waren, milderte im zweiten Akt den Gefängniseindruck etwas, und im letzten Bild war das Gitter sogar ganz überzeugend kaschiert, so daß geradezu Stimmung aufkam.

Der Regie (G.R. Sellner) gelangen recht gute Szenen, doch vieles wirkte allzu künstlich ausgezirkelt; man vermißte die schöne Natürlichkeit, die z.B. Hartmanns Münchner Figaro auszeichnet.

Auch Lorin Maazels musikalische Leitung hatte nicht Mozarts Esprit; Maazel dirigierte wohl federnd und elastisch, aber stahlhart und sehr laut. Die Sängerleistungen waren fast durchweg enttäuschend, mit einer Ausnahme: Dietrich Fischer-Dieskaus herrlicher Graf überragte darstellerisch und gesanglich turmhoch das übrige Ensemble, mit dem Schmelz und dem Farbenreichtum des Liedersängers ebenso wie mit unglaublicher dramatischer Kraft. Ihm allein waren die wenigen wahrhaft großen Momente der Aufführung zu danken ("Perdona").

Hilde Güden, schön anzusehen und kultiviert im Spiel, war stimmlich nicht in bester Form. Daß ihr die erste Arie der Gräfin nicht sonderlich gut gelang, nimmt man hin, jedoch die zweite wurde auch nicht besser: ihre Kantilenen waren voll Ausdruck, aber nicht schön genug im Ton.

Graziella Sciutti ist eine sehr hübsche und charmante, aber nicht gerade temperamentsprühende Susanne; ihr Spiel wirkte zwar etwas kühl, doch überzeugend bis in die letzte Einzelheit. Ihre Stimme ist klar und schön, doch ebenfalls etwas kühl. Parlando liegt ihr besser als arioso: sie sang sehr vorsichtig, wagte kaum einmal ein mf; ließ es sich gar nicht vermeiden, an die Stimme zu gehen, klang der Ton gefährdet.

Geraint Evans war ein beweglicher Figaro mit sehr variabler Mimik, blieb aber trotzdem blaß, fast belanglos. Keinesfalls war er die Zentralfigur des Spiels. Sein Bariton ist klein, nicht sehr schön, hat wenig Tiefe und bezieht seine Tragfähigkeit hauptsächlich aus Resonanzgeräuschen. Nur in der Höhe brachen gelegentlich klingende, kraftvolle Töne durch ("si"). Recht gut sang er seine letzte Arie.

Evelyn Lears Cherubino war temperamentvoll und intensiv gespielt; doch ist die Stimme für Mozart nicht schön genug und klingt bei raschem Parlando nicht.

Barbara Bardy hat einen hübschen Sopran, spielt die Barbarina aber übertrieben lebhaft. Dorothea von Stein sang die Marzelline recht schön, ihre Darstellung blieb Schablone. Peter Lagger besitzt wohl einen klangvollen Baß, vermochte ihm aber ebensowenig Leben zu geben wie der Figur des Bartolo. John van Kesterens (Basilio) Gesang war ungenießbar, seine Darstellung farblos.

Hans Huber (HH)

       

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