Zum Liederabend am 23. Februar 1959 in Berlin

Berliner Tagesspiegel, 25.2.1959

Romantische Lieder

Kleine Konzertchronik

Dietrich Fischer-Dieskau hatte das pathetische Ethos von Hindemiths Mathis Nidhart für einen Abend im Hochschulsaal der intimen, pastoralen Leidenschaft Schuberts weichen lassen: er sang die wundersam traurige Mär von der "Schönen Müllerin". Nichts, was noch Neues zu seinem Ruhme zu sagen wäre denn dies: leiser, schlichter, mit intelligenterer Einfalt hat man die vielstrapazierten Strophen in Grün hier lange nicht gehört, den Mut zum wie vor sich hingesungenen Volkslied kann sich nur leisten, wer der nicht mehr äußerlich, sondern nur noch innerlich vernehmbaren Nuancen, Schwebungen, Abwandlungen fähig ist. Endlich einmal war der Schluß der "Trock’nen Blumen" nicht hektische Freude, sondern schmerzliches Wissen von unerfüllbarem Wunsch, waren des Baches wiegende Wellen nicht "Schluß" im üblichen Sinne, sondern vollkommene, spurlose Auflösung ohne Woher und Wohin. Die Ergriffenheit machte der Begeisterung nur langsam Platz. Karl Engel am Flügel: Klarheit der Zeichnung, Klang von mildem Glanz, Zauber der Dur-Moll-Wechsel – auch das alles war über die Maßen schön.

E.M.

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