Zum Konzert am 24. Januar 1987 in Berlin


     Berliner Morgenpost, Datum unbekannt     

Anspruchsvolles Programm der Radio-Symphoniker

Fischer-Dieskau glänzte mit seinem Paradestück

     

Nicht leicht machte es das Radio-Symphonieorchester bei seinem jüngsten Abonnementskonzert im SFB-Sendesaal dem Publikum. Es stellte hohe Anforderungen. Klänge voller Düsternis, Gesänge von Vergänglichkeit, Tod und Weltuntergang. Das war ein Programm, das sich manchem Zuhörer gewiß wie Blei auf die Seele gelegt haben mag.

[...]

Den Abend mit der letzten Komposition von Karl Amadeus Hartmann zu beschließen, paßte ausgezeichnet. Der heute leider viel zuwenig beachtete Hartmann fühlte sich Mahler wesensverwandt. Er hat ihn bewundert, hat aus dessen Werken "Kraft, Freude und Hoffnung geschöpft". Hartmanns Kantate "Sodom und Gomorrha" nach Worten von Jean Giraudoux ist ein Fragment geblieben. Der abbröckelnde Schluß wirkt indessen ganz legitim: Musik gleichsam vor dem Verstummen, wie so vieles bei Hartmann.

1964 erlebte diese wunderbare Komposition ihre Uraufführung in Frankfurt. Damals war Dietrich Fischer-Dieskau der Solist. Er war es auch diesmal. Zunächst artikulierte er um einige Grade zu naturalistisch. Dieskaus Hang zum Übertreiben, zum Bis-aufs-Äußerste-Gehen, war indessen dem weiteren Verlauf dieser Gesangsszene voll und ganz angemessen: apokalyptische Visionen, erstaunlich zeitgemäß anmutend, von Dieskau so beklemmend und eindringlich gestaltet, daß erst nach langen Momenten des Ergriffenseins der Beifall einsetzte.

W. Sch.

zurück zur Übersicht 1987
zurück zur Übersicht Kalendarium