Zum Konzert am 10. Februar 1984 in Baden-Baden


Badisches Tagblatt, Baden-Baden, 13. Februar 1984

Ungewöhnliches Mozartbild entworfen

6. Sinfoniekonzert des Südwestfunks unter Nikolaus Harnoncourt - Fischer-Dieskau sang

[...]

An diesem Abend gab es noch einen Höhepunkt. Dietrich Fischer-Dieskau sang Konzertarien von Wolfgang Amadeus Mozart. Groß, schlank, grauhaarig und in bewundernswerter Stimmkondition stand er auf der Bühne und zeigte als Sänger was es heißt, "Musik als Klangrede" zu vermitteln. Es gibt wohl kaum zwei Persönlichkeiten aus dem Musikleben, die so auf einer Wellenlänge liegen wie Fischer-Dieskau und Harnoncourt. Das war ein Geben und Nehmen zwischen Orchester und Sänger. Souveränes Können vereinigte sich mit präziser Interpretation.

Nicht ganz so einleuchtend war allerdings die Auswahl von Baß-Arien für den Bariton Fischer-Dieskau. Ohne Imponiergehabe, mit überdurchschnittlicher Stimmkraft und fachtypischer Virtuosität rezitierte und gestaltete Fischer-Dieskau die Arien. Er schloß zwar die tiefe Baßlage nicht immer ganz auf, schaffte aber sorgfältigste, dynamische Nuancierungen. Es war nicht zu überhören, daß der Liedersänger Fischer-Dieskau die lyrisch-dramatischen Arien KV 541 und 584 mit stets klangvollem weich sitzendem Ton interpretierte. Mit Animo und Charme war da ein Mozart zu hören, der überzeugte durch Schlichtheit. Schlichtheit, die gar nicht schlicht ist, sondern nur durch disziplinierte Technik und ungeteilten Einsatz der ganzen Persönlichkeit zustandekommt.

Der Beifall wollte kein Ende nehmen. Orchester, Dirigent und Sänger hatten ohne entstellende Stilisierungen ein Mozartbild entworfen, das ungewöhnlich war, in seiner Konsequenz vielleicht aber nicht von jedem toleriert wurde.

Jutta Bergengruen

zurück zur Übersicht 1984
zurück zur Übersicht Kalendarium