Zum Konzert am 9. August 1983 in Salzburg


    

     Süddeutsche Zeitung, 11. August 1983     

Salzburger Festspiele

Wie man einen Erfolg ansteuert

Hans Zender und Dietrich Fischer-Dieskau im 5. Orchesterkonzert mit neuer Musik

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Überdies war es gelungen, einen Gesangssolisten zu engagieren, der schon so oft durch seine überragende Ausstrahlung, ja fast Popularität mancher unbekannten oder zeitgenössischen Musik den Weg zum Publikum geebnet hatte: Die Vermutung, daß, wenn der Name Dietrich Fischer-Dieskau auf dem Programmzettel steht, deshalb gleich ein paar hundert Menschen mehr Interesse für musikalisch Neues anmelden, ist wohl nicht aus der Luft gegriffen.

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‚Jedermann’-Monologe für Bariton

"Per aspera ad astra" stand, wie insgeheim über so mancher Musik seit Beethoven, auch hier zur Debatte: Über den beiden folgenden Stücken nach der Pause, die Hans Zender mit dem Symphonieorchester des Österreichischen Rundfunks zuverlässig, ja inspiriert darbot. Die "Sechs Monologe aus ‚Jedermann’ von Hugo von Hofmannsthal" für Bariton und Orchester schrieb der Schweizer Frank Martin im Jahre 1943. Sie lassen den Sänger die entscheidende Wandlung des "reichen sterbenden Mannes" durchmessen: von der bitteren Einsicht ins Unabänderliche ("Ist alles zu End, das Freudenmahl") bis zur frommen Ergebenheit ("O ewiger Gott! O göttliches Gesicht!"). Der Sänger hat die Aufgabe – und Dietrich Fischer-Dieskau nutzte die Chance mit machtvoll dramatischer Entschiedenheit -, das breite Gefühlsspektrum dieses Jedermann in deklamatorischer Vielfalt auszukosten: kreischende Todesangst, herrischer Aufruhr, Ausweglosigkeit, Gottergebenheit am Ende. Martins Musik verfährt dabei nicht so sehr plakativ illustrierend, sondern sie "verkörpert" den unseligen Mann beredt.

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Wolfgang Schreiber

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     Abendzeitung, München, 11. August 1983     

In der Romantik gebadet

Krenek-Uraufführung ohne Provokation

   

Meilenweit kamen die Anhänger zeitgenössischer Musik ins Salzburger Kleine Festspielhaus angereist, nicht nur, um den Amerikaner aus Wien, den Komponisten Ernst Krenek, live zu sehen, sondern vor allem, um die Uraufführung von Kreneks zweitem Cellokonzert mitzuerleben, ein "Musica-viva"-Konzert des ORF-Symphonieorchesters (Dirigent: Hans Zender), für das auf dem Schwarzmarkt die Karten zum halben Preis feilgeboten wurden.

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Mimischer Schmerz fürs Publikum

Frank Martins eindringliche Monologe aus "Jedermann" (1943) krankten wohl ein wenig an Dietrich Fischer-Dieskau. Der hochverdiente, auch jetzt wieder umjubelte Bariton setzte mehr auf mimischen Schmerz als auf sängerische Interpretation. Fast "tonlos" schleuderte er den Hofmannsthal-Text ins Publikum.

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Marianne Reißinger

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