Zur Liedermatinee am 2. August 1981 in München


    

     Süddeutsche Zeitung, München, 3. August 1981     

Münchner Opernfestspiele

Stunde des Hausgottes

Lieder-Matinee von Fischer-Dieskau und Sawallisch im Nationaltheater

     

Fortsetzung konzentrierter Strauss-Pflege, die Generalmusikdirektor Wolfgang Sawallisch als Bedürfnis empfindet, jetzt auch bei der Liedermatinee im Nationaltheater: Aus den mehr als 150 Gesängen des neuerlichen Münchner Hausgottes sang Dietrich Fischer-Dieskau eine sehr persönlich getroffene Auswahl, mischte Reflexion, Naturlyrik und Satire geschickt durcheinander und demonstrierte seinen kompetenten, hochbewußten Umgang mit vertonten Texten so überzeugend wie eh und je.

Der Einstieg sollte wohl das meteorologische Debakel unseres Sommers widerspiegeln, aber als Fischer-Dieskau und Sawallisch mit "Schlechtes Wetter" von Heinrich Heine begannen, da schien draußen längst die Sonntagvormittagssonne. Schon hier wurden Qualitäten und Gefahren von Fischer-Dieskaus exquisitem Liedgesang deutlich: Die Wortdeklamation, die möglichst viele Nuancen der Texte individuell beleuchtet oder schattiert, mit wechselnden Vokalfarben versieht und aus dem musikalischen Fluß heraushebt, dies ist des Sängers besondere Stärke, machte ihn ja zum Denkmal deutschen Liedgesanges seit mehr als einem Vierteljahrhundert. So gelangen "Ruhe meine Seele" von Henckell und "Wozu noch, Mädchen" von Schack, ferner "Frühlingsgedränge" von Lenau, besonders intensiv, wurde also der Tonfall differenzierter Naturbetrachtung mit betörenden Tönen der Kopfstimme und biegsamer Linienführung nachempfunden.

Problematischer wird’s, wenn sich Fischer-Dieskau Pathetischem und Satirischem ergibt. Da stört oft polternde Intonation, eine Künstlichkeit und Überzeichnung dessen, was ohnehin auskomponiert wurde; da kippt, etwa in "Herr Lenz" von Bodmann, skurriler Wortwitz in Fischer-Dieskaus eifernder Gestaltung in Affektiertheit um. Und für Goethes "Ich ging im Walde" besitzt der Künstler nicht genügend Mittel einfachen Volkstons. Hervorragend dann "Himmelsboten" aus "Des Knaben Wunderhorn" mit seinen vielen imaginär-szenischen Schauplätzen, die Fischer-Dieskaus stimmliche Verwandlungskunst herausforderten. Zum Schluß vier Nummern aus dem witzigen "Krämerspiegel" mit ausgeklügelten Deklamationspointen. Wolfgang Sawallisch leistete dem Sänger mit seinem schlanken, farbigen Klavierspiel wertvolle Partnerschaft. Jubel und Zugaben.

Wolfgang Schreiber

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