Zum Liederabend am 10. März 1975  in Bielefeld


    

     Neue Westfälische, Bielefeld,   12. März 1975     

Komm Trost der Welt

Dietrich Fischer-Dieskau sang Eichendorff

     

Es ist schon erstaunlich, wie ein Liedersänger im Riesenrund der Oetkerhalle den intimen Charakter eines Kammerkonzertes zu assoziieren vermag, ohne dabei gleichzeitig die Maßstäbe zu verändern. Dietrich Fischer-Dieskau sang im 7. Meisterkonzert der Pfefferschen Buchhandlung Lieder nach Gedichten von Eichendorff.

Der Künstler, der seit Jahren auch in Bielefeld sein Publikum hat, verfährt schon bei der Auswahl seines Programms recht eigenwillig und macht wenig Konzessionen an den allgemeinen Geschmack. So standen neben Liedern von Schumann, Wolf und kaum bekannten Vertonungen von Mendelssohn und Pfitzner auch Kompositionen des unvergessenen großen Dirigenten Bruno Walter (u.a. mit dem lyrischen "Jungen Ehemann") und des Kaminski-Schülers Reinhard Schwarz-Schilling, von dessen drei Liedern vor allem das letzte mit seinem fast rezitativen Charakter gefiel, und das am wirkungsvollsten die sorgsam gepflegte Sprechtechnik des Sängers hervorhob.

In allen Vorträgen wurde immer wieder die Ausgeglichenheit der Register dieses Sängers sichtbar mit ihrem Nuancenreichtum und der dynamischen Modulationsfähigkeit vom gehauchten Ton (Schumann: "Der Einsiedler") bis zum Brio (Wolf: "Seemanns Abschied"), die eine weitgespannte Atemtechnik und einen mühelosen Tonansatz einschließen. Fischer-Dieskau verzichtet auf jedes Pathos, obgleich die dramatischen Akzente der Bühne bewußt in seinen Vortrag eingebaut sind. Er besitzt die Fähigkeit, durch eine kühl distanzierte Abstrahierung des Liedes von jeglichem billigen Effekt seinen poetischen Inhalt wieder sichtbar zu machen, ohne dabei an Ausdruckskraft einzubüßen.

Daß Lied und Begleitung eine überzeugende Einheit bildeten, war nicht zuletzt auch das Verdienst des Partners am Flügel. Günther Weißenborn, eine stark eigengeprägte musikantische Persönlichkeit ohne Ambitionen virtuoser Alleingänge, der dennoch die solistischen Möglichkeiten seines Instrumentes geschickt auszunutzen verstand (u.a. bei Schwarz-Schilling: "Kurze Fahrt" und Wolfs "Nachtzauber"), war ein einfühlsamer Begleiter. Er kann sich eine große Scheibe vom herzlichen Beifall des Publikums abschneiden, das nicht auf Zugaben verzichtete.

I. T.

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