Zum Konzert am 16. September 1971 in Berlin


Berliner Tagesspiegel, 18. September 1971

Kleine Dramen

Fischer-Dieskau, Barenboim und Zukerman konzertierten

Wenn drei Namen wie Dietrich Fischer-Dieskau, Daniel Barenboim und Pinchas Zukerman auf dem Programm eines ohnehin nahezu ausabonnierten Abends der "Pro Musica"-Reihe stehen, so reicht der Scharoun-Bau am Kemperplatz nicht aus. Dabei erwies sich wieder einmal der Raum mit seinen unterschiedlichen akustischen Verhältnissen als wenig günstig für eine Veranstaltung so intim kammermusikalischer Art. [...]

Mit wenig bekannten Liedzyklen gab Fischer-Dieskau dem Abend seine Bedeutung und erwarb sich den Dank der Hörer. Der Name Ludwig Spohrs, einst vornehmlich durch seine Opern "Faust" und "Jessonda" berühmt, lebt heute nur noch in seinen Violinkonzerten und einigen Werken für Kammermusik fort. Drei Gesänge mit Violine und Klavier erwiesen sich als reizvoll-geschmeidige Biedermeierlyrik. Der Sänger wußte sie zu vielfarbigen kleinen Kabinettstücken zu gestalten, wobei die obligate Violine wiederum brillanter und weniger improvisiert hätte wirken dürfen. Robert Schumanns Liederkreis nach Gedichten von Heinrich Heine ist höchst selten zu hören. Vielleicht bedarf es auch der Kunst eines Fischer-Dieskau, die weite Skala von naturhafter Innigkeit bis zu Ironie und grimmiger Skepsis glaubhaft zu vermitteln. Dieser Sänger entdeckte in den zuweilen hintersinnigen Versen die kleinen Dramen, die der Komponist im vollen Einverständnis mit dem Dichter in Töne faßte. Im Zusammenwirken mit dem in jeder Hinsicht hervorragenden Partner am Instrument ergab sich ein Erfolg, wie man ihn bei Fischer-Dieskau gewohnt ist. Zwei Schumann-Lieder nach Eichendorff und Heine als Zugaben waren die Erwiderung des Sängers auf lang anhaltenden Beifall.

Walther Kaempfer


    

     Berliner Morgenpost, 18. September 1971     

   

Musikalisches Festwochen-Glanzlicht

    

Der privaten Initiative der Berliner Konzert-Direktion Adler ist es gelungen, drei internationale Stars für einen Kammermusikabend zu vereinigen: Dietrich Fischer-Dieskau, Daniel Barenboim und Pinchas Zukerman. Da Adlers "Pro Musica"-Reihe in der Philharmonie ohnehin ausabonniert ist, kamen nur noch wenige Karten in den freien Verkauf, und viele Musikfreunde, die dieses Glanzlicht der Berliner Festwochen bestaunen wollten, mußten vor der Tür bleiben.

[...]

Dazwischen lagen die Drei Gesänge mit Violine und Klavier opus 154 von Ludwig Spohr, die Fischer-Dieskau vom Blatt sang, ohne es an Intensität der Gestaltung fehlen zu lassen. Zukerman war in dieser Runde anzumerken, daß die Liedbegleitung ein für ihn noch fremdes Gebiet ist.

Schumanns Liederkreis nach Gedichten von Heine opus 24 begleitete Barenboim allein, und zwar mit jener Hingabe, die bereits am Dienstag bei den Mahler-Liedern zu bewundern war. Barenboim und Fischer-Dieskau bilden ein Gespann, das derzeit seinesgleichen sucht. Der Bariton sang die selten auf einem Programm anzutreffenden Lieder bei höchster Textkonzentration mit vielfach gebrochenen Stimmungswerten in der Gesamtlinie und setzte mit der Interpretation etwa der beiden Lieder "Ich wandelte unter Bäumen" und "Berg und Burgen schau’n herunter" unumstößliche Maßstäbe.

Dem einhelligen Jubel für das Dreigestirn schließt sich der Referent einschränkungslos an.

H. F.


   

     Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28. September 1971     

   

Seltene Gäste

Orchester- und Kammermusik bei den West-Berliner Festwochen

[...]

Die musikalischen Israelis

Die Berliner Tage verlocken zu neuen Betrachtungen über die Unerschöpflichkeit jüdischer Musikbegabungen. Viele meinen, es gäbe kaum ein musikalischeres Orchester als die Israelische Philharmonie. Den diesjährigen Berliner Dirigentenwettbewerb der Karajan-Stiftung gewann ein 25jähriger, außerordentlich begabter Israeli: Daniel Barenboim und Pinchas Zukerman rissen die Berliner zu Begeisterungsstürmen hin, zumal sie ungewohnte Frische in den Routinebetrieb bringen. Als bei ihrem gemeinsamen Konzert mit Dietrich Fischer-Dieskau der Jubel kein Ende nehmen wollte, ließ Barenboim den Sänger plötzlich allein auf die Verbeugungstour gehen. "Wenn ich mit dir rausgehe, singst du nur wieder", sagte er und schaute grinsend von der Tür aus in den Saal.

[...]

Das andere Mal gab es , mit Barenboim und Zukerman, romantische Kammermusik. Als Rarität hörte man drei von Louis Spohrs Sechs Gesängen für Bariton, Violine und Klavier, darunter die flinken "Jagdzeit"-Daktylen. Als Höhepunkt den Heine-Liederkreis von Schumann. Davor und danach Schuberts Sonatine a-Moll, Beethovens c-Moll-Sonate aus Opus 30. Man bewunderte die intime Kunst der beiden jungen Israelis, auch wenn Zukermans Geigenton, offenbar geflissentlich zurückgehalten, hinter Barenboims Klavierspiel bis in die Anonymität einschrumpfte. Vielleicht wollte der begnadete Geiger, dessen Tonvolumen sonst so groß ist, auf solche Art der etwas unbehaglichen Situation begegnen, intimste Musik vor 2000 Hörern zu zelebrieren, die es ihm und Barenboim durch heftigen Beifall dankten.

H. H. Stuckenschmidt


   

     Der Abend, Berlin-West, 17. September 1971     

   

Drei auf einen Streich

Pro-Musica in der Philharmonie

   

Geradezu verschwenderisch war das erste Pro-Musica-Konzert mit großen Namen bestückt; für den Andrang war die Philharmonie noch nicht geräumig genug. Wann hätte man auch sonst Gelegenheit, drei Künstler wie Dietrich Fischer-Dieskau, den Pianisten Daniel Barenboim und den Geiger Pinchas Zukerman gleichzeitig miteinander konzertieren zu hören!

Im ersten romantischen Teil bereitete das Duo Barenboim-Zukerman mit der a-Moll-Sonatine Schuberts, Opus 137, Nr. 2 die zwei Liedgruppen Fischer-Dieskaus vor. Von dem früher namhaften Louis Spohr hört man nur noch selten etwas. Daß die drei Gesänge mit Violine und Klavier, Opus 154 in Vergessenheit geraten sind, hängt nicht zuletzt mit der epigonalen Minderwertigkeit ihrer Texte zusammen.

Fischer-Dieskau, zur Zeit in einem Stadium froh-bewußter Leistungsspitze, nahm sich dieser Gesänge und des Liederkreises, Opus 24 von Schumann (auf ebenfalls großenteils vergängliche Strophen Heinrich Heines) mit aller Kultur des Singens und allen Steigerungen des Ausdrucks an. "Lieb Liebchen, leg’s Händchen aufs Herze mein" - wem außer ihm würde man solche Unlyrik heute noch abnehmen?

Musikalisch am wertvollsten war Beethovens c-Moll-Sonate Opus 30, Nr. 2, mit der Barenboim und Zukerman ein Muster vollendeten Kammermusik-Stils boten, der Pianist mit blendender Technik und abgestuftem Anschlag, der Violinist mit einer stilgemäßen Zurücknahme seines jugendlichen Ungestüms, singendem Ton und feinstem Legato.

Die drei Künstler verstanden sich glänzend; das volle Haus genoß dankbar die seltene Konstellation und applaudierte begeistert.

W. S.


  

     nacht-depesche, Berlin West, 18. September 1971     

   

Groß hoch drei

Daniel Barenboim, Pinchas Zukerman und Fischer-Dieskau in der Philharmonie

    

Ursprünglich war ein Auftreten im Quartett vorgesehen. Aber nachdem die Cellistin Jacqueline du Pré absagte, blieb ein Trio als "Rest" übrig, ein Rest allerdings von hochkarätigem Wert: Dietrich Fischer-Dieskau, Daniel Barenboim und Pinchas Zukerman. Drei derartige Potenzen an einem Abend, das gibt es selten, die Berliner honorierten es mit vorher ausverkauftem Philharmonie-Saal.

Zum zweiten Male innerhalb von drei Tagen präsentiert sich Fischer-Dieskau mit Liedgesängen, diesmal mit dem Schwerpunkt auf Heine-Vertonungen von Robert Schumann, nachdem drei Gesänge von Ludwig Spohr mit Violine und Klavier vorausgegangen waren. Wieder gelang es dem Bariton, das Maximum an Stimmungswerten aus einer uns ferngerückten Lyrik, aus dem Inhaltsbestand, herauszuholen. Barenboim beschränkte sich, wie schon am vorangegangenen Abend mit dem Sänger, auf die Begleitung Fischer-Dieskaus und Zukermans, aber seine Bedeutung war auch hier unverkennbar.

[...]

F. L.


   

     Spandauer Volksblatt, Berlin-West, 18. September 1971     

   

Mit musikalischer Vollkommenheit

Barenboim, Zukerman und Fischer-Dieskau in der Philharmonie

     

Nichts ist geeigneter, die Seltsamkeiten heutigen Musikbetriebs zu beleuchten, als Kammermusik, gar romantische Kammermusik in der Philharmonie. Da sitzen oder stehen ein, zwei, höchstens drei Menschen auf einem Präsentierteller, in nüchtern gleichmäßiger Beleuchtung in einer parkettierten Arena, und stellen Intimstes aus, das einmal in den Salon oder ins Bürgerhaus gehörte.

Über zweitausend Menschen hören Solisten, die meist nicht ohne kräftige Nachhilfe der Schallplattenfirmen zu gerade diesem Programm gerade zu dieser Zeit veranlaßt wurden, und auf dem Umweg über diese diskrete Plattenwerbung findet die Musik der kleinen Besetzung oder das Lied auch wieder in die Wohnstube - wenn auch wohl öfter mit Hilfe des Plattenspielers als durch Kehle oder Klavier.

Der Liederabend von Dietrich Fischer-Dieskau und der Trio-Abend, den er mit den israelischen Jungstars Daniel Barenboim und Pinchas Zukerman zusammen gab, machen da wohl keine Ausnahme. Am zweiten Abend war der große DFD sogar so etwas wie eine Notlösung: Eigentlich sollte Jacqueline du Pré mit von der Partie sein, aber die Cellistin ist erkrankt.

Die drei kennen sich seit einiger Zeit, sie haben kürzlich erst gemeinsam in Israel musiziert, und schon liegen die ersten Aufnahmen vor, weitere sind angekündigt. Aber mit welchen Absichten, auf welchen Wegen oder Umwegen auch immer - man wurde zweimal mit musikalischen Vollkommenheiten konfrontiert.

Über Dietrich Fischer-Dieskau läßt sich dabei kaum Neues sagen. Er ist dermaßen perfekt, sein berühmter Bariton klingt in allen Lagen derart makellos und wie fester, reiner Samt, daß man bald jedes Interesse daran verliert, ob nicht doch einmal etwas "schiefgehen" könnte. An seine Stelle tritt ganz das "interesselose Wohlgefallen" der klassischen Ästhetik. Höchstens zum Vortrag ließe sich anmerken, daß Fischer-Dieskau humoristische Lieder gegenwärtig noch besser liegen als rein lyrische.

Er vollzieht zwar auch den schnellen, immer etwas riskanten Wechsel von der Seelenlage eines Liedes zum nächsten perfekt, aber bei den komischen Liedern gibt er noch eine distanzierte Trockenheit hinzu, die ihn unwiderstehlich macht.

Wie schon oft hatte sich Fischer-Dieskau ein nicht gerade gängiges Programm vorgenommen. Lieder von Gustav Mahler - so der Titel seines Liederabends - scheinen nicht populär. Der Schein trügt bis zu einem gewissen Grade. Der Volksliedton der vielen Texte aus "Des Knaben Wunderhorn" ist von Mahler, versetzt mit der für ihn charakteristischen Sehnsucht, in den Vertonungen gewahrt worden.

Im Liederkreis op. 24 von Schumann, Vertonungen von Heine-Gedichten, konnte Fischer-Dieskau mehrfach Innigkeit und Ironie zugleich darstellen, von Barenboim dabei mit Einfühlung unterstützt. Die sonst vergessenen Gesänge mit Violine und Klavier von Ludwig Spohr (op. 154) gaben nicht allzuviel her. Auch die Sonate a-Moll op. 137 Nr. 2 von Franz Schubert ist ein wenig charakteristisches Stück Hausmusik, von Barenboim und Zukerman wurde es denn auch eher beiläufig musiziert.

Anders verhielt es sich mit der abschließenden Beethoven-Sonate op. 30 Nr. 2. Hier fanden Klavier und Geige zu einem Wechselspiel mit feinsten rhythmischen und dynamischen Schattierungen, in dem besonders Zukerman seinen fast einmalig schönen Geigenton hören lassen konnte: Er ist nicht "süß" oder "groß", sondern sehr zart (aber nicht fragil). Zukerman ist ein Phänomen. Er kann mit seinem Instrument das reine Glück verbreiten.

Hans-Jörg von Jena


   

     Bild-Zeitung - Berliner Ausgabe -, 18. September 1971     

   

Berliner Festwochen 71

Drei große Künstler - gute Laune und drei Zugaben

Konzert in der Philharmonie begeisterte

    

Drei Künstler - jeder einzelne ein hochdotierter Star - gaben am Donnerstag in der Philharmonie ein Konzert: Dietrich Fischer-Dieskau, Daniel Barenboim und Pinchas Zukerman. Drei Gesänge mit Violine und Klavier von Spohr vereinten das "Trio", das großartig aufeinander abgestimmt war.

Den Liederkreis von Robert Schumann nach Gedichten von Heinrich Heine sang Fischer-Dieskau in jungenhafter Gelöstheit. Daniel Barenboim zeigte sich bei aller Virtuosität seltenen Klavierspiels als meisterhaft einfühlsamer Begleiter. Drei Zugaben waren der Dank an das begeisterte Publikum.

Der Wundergeiger Pinchas Zukerman spielte mit Barenboim zusammen eine Schubert- und eine Beethoven-Sonate, die zu einem kammermusikalischen Ereignis wurden.

Die gute Laune, mit der die drei Künstler musizierten, teilte sich unmittelbar den Hörern mit. Lang anhaltender Beifall zum Schluß für diesen festwöchentlichen Abend.

Margarete Roemer


   

     Kurier, Wien, 20. September 1971     

   

Ein Abend zu dritt

Konzerte mit Dieskau, Barenboim, Zukerman, Haitink

   

Wenn Dietrich Fischer-Dieskau das Podium der Berliner Philharmonie betritt, feiert eine Großstadt sich selbst. Zweieinhalbtausend Besucher, unter ihnen zirka 80 Prozent Frauen, füllen Parkett, Ränge, Galerien, hierorts "Blocks" genannt, mit "A" bis "F" (oder "G") gekennzeichnet und im Kreis um das Podium der Künstler gelagert. Deren Verbeugungsradius mißt dementsprechend 360 Grad.

[...]

Die Mitte des Abends vereinte vorerst Fischer-Dieskau, Zukerman und Barenboim zum Musizieren zu dritt: Ludwig Spohrs "Drei Gesänge mit Violine und Klavier", op. 154, Nr. 2, gaben dazu willkommenen Anlaß. Naiv-gläubige Lobpreisung von Welt und Schöpfung, Naturromantik, Verzweiflung haben in dieser Musik empfindsame Entsprechung gefunden.

Das Finale gehörte "Fi-Di" mit dem Schumann-Liederkreis, op. 24 nach Gedichten von Heine. Er sang ihn temperamentvoll, gescheit, nuanciert und mit etwas ausgeruhterer Stimme, als bei seinem modernen Liederabend jüngst in Salzburg.

Ovationen und Zugaben. Berlin feierte sich selbst.

Herbert Schneiber


   

     Berliner Allgemeine unabhängige jüdische Wochenzeitung, 15. Oktober 1971     

   

Mahler-Gedenken im Kleinformat

[...]

Dieselbe Faszination ging von dem Trio Daniel Barenboim, Dietrich Fischer-Dieskau und Pinchas Zukerman aus, das in der Philharmonie den begeisterten Hörern so etwas wie eine kammermusikalische Sternstunde bereitete. Auch bedingt durch die apart getroffene Programmauswahl, etwa mit den Heine-Liedern von Robert Schumann oder den drei Gesängen mit Violine und Klavier von Ludwig Spohr.

Autor unbekannt

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