Zum Konzert am 15. und 16. April 1971 in Nürnberg


Nürnberger Nachrichten, 17./18. April 1971

Dietrich Fischer-Dieskau sang in Nürnberg Aribert Reimanns Zyklus für Bariton

Klänge und Wortsymbole

Uraufführung des Auftragswerkes im vierten Dürer-Jahr-Festkonzert mit dem Städtischen Philharmonischen Orchester

Von allen musikalischen Gattungen ist das Orchesterlied wohl am stärksten mit der musikalischen Romantik verbunden. Mit seinem "Zyklus für Bariton und Orchester", als weiteres Dürer-Jahr-Auftragswerk jetzt in der Nürnberger Meistersingerhalle uraufgeführt, unternimmt Aribert Reimann den Versuch, diese historische Verstrickung zu lösen.

Seine Absicht ist nicht, die Gedichte des 1970 in Paris verstorbenen Paul Celan zu untermalen, zu unterstreichen oder zu überhöhen, sondern er breitet mit seinem Orchester einen Klangteppich aus, über dem sie sich in ihrer Eigengesetzlichkeit entfalten können. Alles was an Form, an Profil, an Ausdruck ist in dieser Musik, liegt in der Singstimme, deren Primat allein schon dadurch zum Ausdruck kommt, daß sie ohne Orchester frei einsetzt und ohne Orchester im sechsten Lied ausklingt.

Dazwischen liegt diffuser Klang, liegen eng aufeinander geschichtete Töne, die sich steigern und wieder zurückgenommen werden. Zuweilen scheint sich die Musik an einem Wort festzukrallen, für Augenblicke schärfere Konturen anzunehmen, aber gleich wieder fallen Baßflöte oder Pauke, die meist solche Höhepunkte schaffen, wieder in den allgemeinen Klang-Untergrund zurück.

Solche Gesänge zu interpretieren, ist eine großartige Aufgabe für einen Sänger wie Dietrich Fischer-Dieskau, und er löst sie in großartiger Weise. So sehr sein Part Stimme unter Stimmen ist, tritt er doch stets plastisch hervor, wird zum Träger des Ausdrucks und zum Deuter der Symbole dieser chiffrierten Gedichte, die nicht einen Sinn verkünden, sondern allein durch Worte und Klänge Assoziationen wecken. Was sie "meinen", könnte die Vereinigung zweier Menschen sein, aber nicht in hingebender Liebe, sondern in irgendeinem geheimnisvollen Kampf. Ein "Thema" also, das durchaus jene Ekstase verträgt, die Fischer-Dieskaus Interpretation weitgehend auszeichnete.

Das Städtische Philharmonische Orchester löste auch diese neue Aufgabe mit hoher Anpassungsfähigkeit. Trotz der hier weithin gebotenen Zurückhaltung wirkte das Spiel nicht ungenau-nebulos, und die solistischen Einsätze waren stets mit der gebotenen Präzision "da".

[...]

Das Publikum feierte den Dirigenten und sein Orchester mit der gleichen Herzlichkeit, die es vorher dem Sänger Fischer-Dieskau entgegengebracht hatte. Der Komponist Aribert Reimann mußte sich mit freundlich gemäßigtem Beifall begnügen, in den sich (im Vorkonzert) auch einige Buhrufe mischten.

Rudolf Stöckl


   

     Süddeutsche Zeitung, München, 17. April 1971     

   

Fischer-Dieskau feiert Dürer

Uraufführung von Reimann-Liedern in Nürnberg

"Wie Nürenberg mit hohem Wert die Kunst und ihre Meister ehrt", zeigen die Festkonzerte zum Dürer-Jahr. Jedes bringt mindestens eine Uraufführung von Auftragskompositionen der Stadt. Bei Dietrich Fischer-Dieskaus Hauskomponisten, dem Berliner Aribert Reimann, hatte man Orchestergesänge bestellt, nicht ohne den Hintergedanken, daß dies ein sicherer Weg ist, den berühmtesten Sänger deutscher Zunge zu bewegen, für zwei Abende nach Nürnberg zu kommen, um Dürer mitzufeiern. Die Überlegung war richtig; Fischer-Dieskau kam und fand bei beiden Aufführungen die Meistersingerhalle voll besetzt.

Unter den jungen Leuten von der expressiven und experimentellen Richtung sind kundige Vokalkomponisten selten. Man setzt für gewöhnlich den Ehrgeiz darein, den Sänger über haarsträubende Intervallsprünge zu hetzen und ihn unter dröhnendem Orchester Intonationsübungen abzuverlangen, bei denen meist nicht viel mehr herauskommt als ein Spaziergang am Rande des stimmlichen Ruins, ein paar müde Pfiffe und einige raunende Worte in den Fachzeitschriften. Eine vorteilhafte Ausnahme im Lager der eigentlich gesangsfeindlichen Experimentierer ist der Dreißiger Aribert Reimann. Er kann mit Stimmen umgehen, weiß, was klingt und was als Firlefanz danebengehen muß, versteht es, Melodien zu schreiben, die den Stimmungsgehalt eines Gedichtes in sich fassen, und unterläßt vor allem das Grundübel modischer Vokalmusik, die Stimme unter Orchestermassen zu ersticken. Darüber hinaus ist er auf Fischer-Dieskau eingeschworen und kennt die Lagen und Register, in denen diese Baritonstimme besonders ausdrucksvoll anspricht. Reimann weiß schließlich, daß Lieder unmittelbar überzeugen müssen, daß sie überschaubar, zwingend und einfach sein sollen.

Sein sechsteiliger Zyklus für Bariton und Orchester nach Gedichten von Paul Celan ist ein Wurf, eine wirkliche Vokalkomposition, kein bloßer Versuch, Verse zu kolorieren. Die Übersensibilität der Verse Celans wird völlig in Musik umgesetzt. Ein kleines Orchester ohne Geigen gibt den fast spätromantischen Untergrund für die schwermütige Poesie, ihre Lebensmüdigkeit und Resignation. Die Baßflöte führt, die dunklen und fahlen Farben dominieren. Reimanns Lieder sind Nervenkunst, atonale Stimmungspoesie; Alban Berg geht in ihnen um.

Wie die Sätze einer romantischen Symphonie gehen die Teile des Zyklus ineinander über, werden motivisch verklammert und durch Klangkontraste voneinander abgesetzt. Dietrich Fischer-Dieskau fand sich vom Nürnberger Philharmonischen Orchester unter Hans Gierster fast kammermusikalisch begleitet und war jeder Sorge enthoben, das ihm so wichtige Wort könne vom Schlagzeug oder von den Bläsern bedrängt werden. Die vielschichtigen Gedichte und ihr nicht minder differenzierter musikalischer Reflex entsprachen Fischer-Dieskaus Auffassung vom Liedgesang als einer Kunst der Farben, Stimmungskonzentrate und bedeutungsschweren Tiefsinnigkeit. Es wurde alles ausgesprochen, was in der Partitur enthalten ist. Man hörte intellektualisierten Gesang und zugleich die ganze Skala der Stimme Fischer-Dieskaus. An der Wiedergabe gab es nichts zu rütteln. Der Komponist mußte einige Buhs einstecken, denn auch Talent provoziert, nicht nur dessen Gegenteil.

[...]

K. Sch.


   

     Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26. Juni 1971     

   

Nürnberg

[...]

Reimann hat den "Zyklus" ausdrücklich für Dietrich Fischer-Dieskau geschrieben, dessen überragender Ausdrucksreichtum bei der Uraufführung im vierten Nürnberger Dürer-Jahr-Festkonzert zum Erfolg des Werkes nicht wenig beitrug. Hans Giersters Interpretation mit dem Nürnberger Orchester traf ebenfalls adäquat den dunkel-schwerblütigen Tonfall. Nürnbergs Dürer-Jahr-Festkonzerte präsentieren Avantgarde mit Maß; doch mußte auch Reimann einigen Protest entgegennehmen.

Autor unbekannt


    

     Nürnberger Zeitung, 17. April 1971     

    

Jenseits der Menschen

Dietrich Fischer-Dieskau im 4. Dürer-Jahr-Festkonzert

    

"Es sind noch Lieder zu singen jenseits der Menschen" - sekundenlang standen diese letzten drei Zeilen aus dem Gedicht "Fadensonnen" von Paul Celan im schweigenden Raum, ehe sich der Beifall für Dietrich Fischer-Dieskau löste. Im sechsten Philharmonischen Konzert in der Meistersingerhalle, das zugleich als viertes Dürer-Jahr-Festkonzert deklariert war, hatte er das Auftragswerk "Zyklus für Bariton und Orchester" von Aribert Reimann uraufgeführt.

[...]

Um so erstaunlicher ist Reimanns Komposition, die sechs Celan-Gedichte zu einer Einheit zusammenzwingt: Durch die Auswahl, aus der gleichsam eine Handlung entsteht - ein Zusammentreffen von Mann und Frau, die sich am Ende schmerzhaft trennen -, vor allem aber durch den Einsatz des Orchesters. Nachdem es spät, in der achten Zeile, zögernd zur Singstimme hinzutritt, verbindet es die Teile durch Ritornelle. Der Handlung entsprechend gewinnt es dabei an Kraft, die vor den "Fadensonnen" zusammensinkt, um das Werk still ausklingen zu lassen.

Darin wird der Singstimme das Äußerste zugemutet. Nicht nur, daß sie sich gegen ein sich aufbäumendes Orchester behaupten muß, in dem das Text-Geschehen zunächst durch horizontale Entwicklungen ausgedeutet wird, das sich aber bei zunehmender Erregung zu ständig stärkeren Akkord-Ballungen verdichtet. Nach mächtigen Aufschwüngen fordert Reimann vom Sänger unvermitteltes Zurücktreten ins Pianissimo, oder es muß eine weit geschwungene Kantilene ebenso plötzlich zum Parlando verwandelt werden.

Es will scheinen, nur Fischer-Dieskau könne derzeit allen diesen Anforderungen genügen. Wie er sie nicht nur technisch bewältigte, das Werk nicht nur gestaltete, sondern zum persönlichen Anliegen machte, gehört zu den ganz seltenen Erlebnissen im Konzertsaal.

Einige unberufene Buh-Rufe waren deshalb so unverständlich - zumal das Philharmonische Orchester, von Hans Gierster mit wacher Intelligenz dirigiert, mit bewunderungswürdiger Präzision musizierte. [...]

Horst Ziermann


   

     Der Tagesspiegel, Berlin, 18. April 1971     

    

Visionäre Bilder

Reimann-Uraufführung mit Fischer-Dieskau in Nürnberg

   

Zum zweiten Male kam innerhalb der Nürnberger Dürer-Jahr-Festkonzerte ein Berliner Komponist zu Wort: nach Boris Blachers Trompetenkonzert wurde jetzt im vierten Konzert als weiteres Auftragswerk der Stadt Nürnberg der "Zyklus für Bariton und Orchester" von Aribert Reimann in der Meistersingerhalle uraufgeführt.

Wie kaum eine andere Gattung ist das Orchesterlied mit der späten musikalischen Romantik verbunden. Reimann löst diese historischen Verstrickungen, indem er gar nicht erst versucht, die Gedichte Paul Celans zu untermalen, zu unterstreichen oder zu überhöhen. Er unterlegt sie, beinahe unaufdringlich, mit einem Klanggrund aus eng aufeinander geschichteten Tönen, aus dem nur zuweilen profiliertere Motive aufsteigen und gleich wieder zurückfallen. So sehr die Gesangspartie Stimme unter Stimmen ist, wird ihr Primat doch nie in Frage gestellt. Das beginnt schon damit, daß sie ohne Orchester einsetzt und - im sechsten Gesang - ohne Orchester ausklingt. Der Orchesterpart der Gesänge zwei bis fünf unterscheidet sich weniger durch musikalische Substanz, als durch wechselnde Instrumentierung.

Alles, was "vorgeht" in dieser Musik, vollzieht sich fast ausschließlich in der Singstimme. Für einen Liedgestalter vom Format Dietrich Fischer-Dieskaus ist das eine großartige Aufgabe, und er löst sie in bewundernswerter Weise. Er bringt nicht nur das eigenwillige Melos einprägsam zur Geltung, sondern versucht auch eindrucksvoll eine Deutung der Gedichte, die allerdings hier nicht in der Aufhellung ihres Sinnes, sondern nur in der Vertiefung sich anbietender Assoziationen liegen kann. Denn Celans Gedichte, aus seinem letzten Werk "Atemwende" entnommen, leben allein aus dem Wortklang und aus einer geheimnisvollen Symbolik, die zwar visionäre Bilder, aber kaum eine "Handlung" vermitteln.

Solche Musik reißt natürlich nicht vom Stuhl, sie verlangt bereitwillige Aufmerksamkeit und Versenkung. So war der Beifall des Publikums der ersten Aufführung zwar gemäßigt, aber durchwegs zustimmend, wobei nicht zu verkennen war, daß er zum großen Teil dem Sänger und dem Städtischen Orchester unter Hans Gierster galt, das die wenig "dankbare" Partitur mit der hier gebotenen Zurückhaltung ausführte.

[...]

Rudolf Stöckl


    

     Stuttgarter Zeitung, 21. April 1971     

    

Neue Musik im Namen Dürers

Fischer-Dieskau singt in Nürnberg Orchesterlieder Aribert Reimanns

    

Unter den Komponisten, die von der Stadt Nürnberg mit einem Auftrag für das Dürer-Jahr betraut wurden, durfte Aribert Reimann nicht fehlen. [...] Mit Dietrich Fischer-Dieskau als Solisten ist jetzt sein "Zyklus für Bariton und Orchester" im vierten Dürer-Jahr-Festkonzert uraufgeführt worden.

Er vereint sechs Orchesterlieder nach Gedichten von Paul Celan, seinem vorletzten Gedichtband "Atemwende" entnommen, die durch instrumentale Zwischenspiele verbunden sind. Die Texte ergeben fast eine Handlung. Vor allem aber steht die musikalische Gestaltung unter einem einheitlichen Prinzip. Zur Singstimme tritt erst spät, in der achten Textzeile, schüchtern das Orchester: ein (nicht zwölftönig) organisiertes Material wird anfangs horizontal entwickelt, wobei einzelne Worte durch Klänge verdeutlicht und ausgemalt werden. Mit zunehmender Erregung des Textes disponiert Reimann in der Vertikalen, entwickelt er immer massiertere Akkord-Ballungen; über Zwölfklängen und Clusters der vielfach geteilten Streicher schreien Blech und Holz - zuweilen mit deutlichen Anklängen an das Ballett "Die Vogelscheuchen", das Reimann für die Berliner Festwochen 1970 schrieb.

Den äußersten Anforderungen ist jedoch die Singstimme ausgesetzt, die dem Orchesterapparat gleichwertig und deshalb als Widerpart gegenübersteht. Wo aus den Instrumenten nur eine großzügige Einfärbung des lyrischen Raumes der Gedichte gewonnen wird, muß der Sänger jedes einzelne Wort und dessen suggestiven Reichtum ausdeuten. Da ihn der Komponist seit Jahren am Klavier begleitet, hat er dieses Werk speziell für Fischer-Dieskau geschrieben. Er kann die unbeschreiblich reiche Palette seiner stimmlichen Möglichkeiten vorführen - vom Parlando über weit geschwungene Kantilenen bis zu Glissandi und Koloraturen, unvermittelte Pianissimi nach starken Ausbrüchen: alle diese Ausdrucksmittel sind völlig in den Dienst des Werkes gestellt, mit einem menschlichen Engagement verbunden, das zu den ganz seltenen Erlebnissen im Konzertsaal gehört.

Das Nürnberger Publikum war zwar von dieser Leistung beeindruckt, nicht aber mochte es den Komponisten akzeptieren. Als dieser das Podium betrat, gab es einige Buhrufe - unverständlich, weil die enge Beziehung zwischen Text und Musik unüberhörbar ist und weil das Philharmonische Orchester der Stadt, vom Opernchef und Generalmusikdirektor Hans Gierster mit wacher Intelligenz dirigiert, mit bewunderungswürdiger Präzision musizierte.

Horst Ziermann


    

     Deutsche Tagespost, Würzburg, 23. April 1971    
     Katholische Zeitung für Deutschland     

    

Lieder - jenseits der Menschen

Zyklus von Aribert Reimann in Nürnberg uraufgeführt

   

Keine "entmündigte Lippe" meldet den "singbaren Rest", der nach Abzug der vordergründigen Wirklichkeit von Welt und Mensch verbleibt. In der Gestaltung durch Dietrich Fischer-Dieskau und in der Realisation durch das Philharmonische Orchester Nürnberg unter Hans Gierster konnte Aribert Reimann mit seinem "Zyklus für Bariton und Orchester" nach Gedichten von Paul Celan etwas von der Transzendenz und der Metaphysik verdeutlichen, zu der Musik mehr noch als Sprache einen Zugang zu weisen vermag.

Der 35jährige, mit einigen Preisen bedachte Berliner Komponist Aribert Reimann hat, wie sein Werkregister ausweist, eine offensichtliche Neigung, das Irrationale der menschlichen Welt durch Verbindung von menschlicher Stimme und Tonwerk auszudeuten. Strindberg, Shakespeare, Eichendorff, Celan, Shelley sind unter den "Textern" seiner Werke, die vom Musikalischen her an Schönberg, Webern und Penderecki erinnern, aber deutlich eine eigene Prägung aufweisen können. "Es sind noch Lieder zu singen jenseits der Menschen" lautet die letzte Zeile seiner von der Stadt Nürnberg anläßlich des Dürer-Jahres ihm erteilen Auftragskomposition.

Es ist selbstverständlich, daß ein Komponist, der "modern" - nicht avantgardistisch - komponiert und dabei noch die sehr schwer zugänglichen Texte von Paul Celan verwendet - dessen Name wohl durch seinen Selbstmord im letzten Jahr berühmter wurde als durch seine Gedichte - nicht auf ungeteilten Beifall rechnen kann. Während die einen A. Reimann noch für zu modern halten, lehnen ihn "Fortschrittliche" schon deswegen ab, weil es für ihn noch "singbaren Rest" gibt. So darf es nicht verwundern, wenn bei der Uraufführung in der Nürnberger Meistersingerhalle dem Komponisten auch anhaltende Buhrufe, Beifall jedoch zuerst Dietrich Fischer-Dieskau zuteil wurde. Der Name und die Leistung des Sängers werden vor allem den Erfolg sichergestellt haben. Aribert Reimann hat ihn verdient. Man wird sich diesen Namen besser merken müssen.

Ingobert Jungnitz


   

     Abendzeitung, München, 19. April 1971     

    

Reimann-Zyklus in Nürnberg uraufgeführt

Dietrich Fischer-Dieskau sang Paul-Celan-Gedichte

    

Was die siebeneinhalb Buhrufe im vierten Dürer-Jahr-Festkonzert der Nürnberger Philharmoniker sollten, ist schwer einzusehen: Wenig Provokation, wohl aber beachtliche lyrische Substanz bot Aribert Reimanns "Zyklus für Bariton und Orchester" nach Gedichten von Paul Celan - Auftragskomposition der Stadt Nürnberg, uraufgeführt von Dietrich Fischer-Dieskau und den Philharmonikern unter Generalmusikdirektor Hans Gierster.

Reimann verzichtet in seiner reich differenzierten Partitur, die der Singstimme viel gestalterische Freiheit einräumt, auf jegliche Auslegung, legt vielmehr ein sehr vielfältig schillerndes Stimmungskolorit um den Text herum.

Fischer-Dieskau, dem das Werk gewidmet ist, faszinierte in der nahtlosen Verzahnung von Sprechgesang und leuchtkräftiger Kantilene, die Reimann häufig rasch ineinander übergehen läßt. Die eminente Sprachkultur dieses Sängers, der seinen Sinn für feinste lyrische Zwischentöne hier bravourös beweisen konnte, sicherte dem Werk starken Beifall.

Klaus Martin Wiese

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