Zum Konzert am 28. Juli 1966 in Salzburg

Süddeutsche Zeitung, 30. Juli 1966

Mozart auf der Reise nach Aspern

Lorin Maazel und Dietrich Fischer-Dieskau im 1. Konzert der Salzburger Festspiele

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Im Salzburg des musikalischen Luxus ist es selbstverständlich, einen Dietrich Fischer-Dieskau für zwei Baßarien aufzubieten, die ansonsten in den gesammelten Werken verstauben. Fischer-Dieskau sang mit äußerstem, geistigem und stimmlichem Engagement. Er hat die Kraft, zum Hauptwerk zu erheben, was alle Welt als Nebenprodukt ansieht. Die Arie "Un bacio di mano" klang wie eine nachkomponierte Glanznummer des Don Alfonso: Ein Räsonneur, dem der Lauf der Dinge bis zur zynischen Offenheit vertraut ist, gibt Auskunft und sticht den Grünschnäbeln den Star. Die sarkastische Prägnanz Fischer-Dieskaus war unübertrefflich: Aphorismen aufgeklärter Rationalisten in Arienform. Die Arie "Mentre ti lascio, o figlia" könnte für den Komtur im "Don Giovanni" bestimmt gewesen sein: ein schmerzlicher Abschied von der Tochter, getragen von einem selbstzerstörerischen Pathos. Fischer-Dieskau sang, als sei er Heldenbariton und seriöser Baß zugleich. Eine lapidare Interpretation, ein Monument des äußersten Espressivo. Maazels angespannte Begleitkunst harmonierte mit der Gesangslinie. Zwei, denen Fanatismus über Routine geht, hatten sich gefunden.

Karl Schumann

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