Zum Opernabend am 9. September 1962 in München

   

     Münchner Abendzeitung, 4. September 1962     

      

Münchner Opernfestspiele

Bella Arabella

 

Diese Komödie der Irrungen um ein Schlafzimmergeheimnis, in die Strauss die nervöse Unruhe des Milieus ebenso genial hineinkomponiert hat wie das Genießertum jener Zeit, erfreut sich in München seit Jahren einer berühmt gewordenen Glanzaufführung in Glanzbesetzung. das Liebespaar Arabella-Mandryka hat sich inzwischen, jeder auf seine Weise, zur stärksten Individualität entwickelt. Arabella (Lisa Della Casa), bildhübsch wie eh und je, stimmlich so schlank wie ihr Wuchs, ist nunmehr eine Komtesse Waldner von großer Koketterie und kühler Berechnung geworden. Man hat den Eindruck, daß Mandryka weit eher auf Bärenjagden als im Ehestand zum Honiglecken kommen  wird.

Fischer-Dieskau legt diesen kroatischen Gospodin ganz auf balkanisch-großzügige Ungeniertheit an. Die slawische Einfärbung des Textes ist allerdings nicht zum Vorteil der Verständlichkeit. Karl Christian Kohn hat aus seiner Rolle die künstlerisch kluge Konsequenz der Einfachheit gezogen, so daß sein Waldner eine brillante Daguerrotypie des verkrachten Grafen geworden ist. Ira Malaniuk, höchst attraktiv in Erscheinung und Stimmtimbre, ist ganz große Dame mit ganz kleinen Skrupeln. Auf Anneliese Rothenbergers Zdenka gibt es nur ein leider sehr abgegriffenes Wort, dem hier der wahre Sinn im vollsten Umfang wiedergegeben sei: süß!

Dem stimmlich anspruchsvollen und heiklen Matteo blieb Georg Paskuda nichts schuldig. das Grafen-Trio war durch Fritz Uhl, Carl Hoppe und Horst Günther bestens vertreten. Eva Maria Rogner erfüllte die in jeder Hinsicht peinliche Aufgabe der Fiakermilli mit Elan. Cäcilie Reich machte aus der Kartenaufschlägerin eine Charakterstudie.

Keilberth musizierte in schönem Fluß, klanglich aus dem Vollen schöpfend mit Straussscher Farbenfreude. Großer Jubel des Festspielpublikums über diese hervorragende Aufführung, die ein Meisterstück der Hartmannschen Regie ist.

Antonio Mingotti

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