Zum Opernabend am 22. August 1962 in München

    

     Münchner Abendzeitung, 24. August 1985     

    

"Salome" bei den Münchner Opernfestspielen:

Nachtstück mit Lisa della Casa

     

Lisa della Casas Salome unterscheidet sich von der Darstellung im vorigen Jahr durch wesentlich umfassendere Bewältigung der stimmlichen Anforderungen, wobei ihr Keilberth durch diskrete Orchesterbehandlung hilfreich zur Seite steht. Sie faßt die Rolle gesanglich zu Recht als dem Charaktersopranfach zugehörig auf. Das sollte allerdings nicht eine dichtere Einfärbung der Mittellage und eine dramatischere Akzentuierung der Spitzentöne ausschließen, den allzu langen Tanz spannungsvoll durchzuhalten, dürfte überhaupt keiner Sängerin gelingen. Darstellerisch legt Lisa della Casa ihre Rolle auf Glamour an und erreicht dadurch den Eindruck einer Liz Taylor der Opernbühne.

An der weniger durch Jordanwasser als durch Strauss verwässerten Substanz des Propheten konnte auch Dietrich Fischer-Dieskau wenig verdichten. Was er zeigte, war imponierend - aus der Zisterne allerdings wie immer unverständlich -; wie er agierte, war im Geiste Wildes. Fritz Uhl ist in der Partie des Herodes, einem Meisterstück seines Repertoires, an der äußersten Grenze künstlerisch vertretbarer Psychopathen-Schilderung angelangt. Gleich hervorragend ist Lillian Benningsens Herodias. Einen intensiv tenoralen Narraboth singt Georg Paskuda. Pracht- und machtvoll Gottlob Fricks Nazarenergesang, von rasanter Beredsamkeit das Judenquintett. Brigitte Fassbaenders Page fällt in kurzen Passagen durch ihr dunkles Timbre auf.

Keilberth musizierte, ideal für die Sänger, weniger ein erotisch tödlich überhitztes Nachtstück als ein klangschönes orientalisches Nocturne.

Mingotti

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