Zur Premiere am 25. Juli 1956 in Bayreuth 
Westfälische Rundschau, Dortmund, 31. Juli 1956

Bayreuther Festspielbogen

Abgekühlter "Parsifal"

Fischer-Dieskaus Amfortas als großer Gewinn

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Nicht die Weite des Raumes und die auf den kürzesten Nenner der Stilisierung gebrachte "Dekorationen" sind es, die eine gewisse Ernüchterung auslösen, sondern das ganze Klima der Aufführung hat sich verschoben. Schon von Kanppertsbuschs musikalischet Leitung springt wenig über. Dieser probenlässige Dirigent findet nur noch selten den erregenden Orchesterklang früherer Jahre. Das liegt nicht allein an den Löchern, die man in die Schalldecken gebohrt hat, um akustisch neue Wege zu versuchen (die nach den Kritikerprotesten auf der Pressekonferenz wieder rückgängig gemacht werden). Knappertsbusch scheint auf seiner genialen Routine auszuruhen und zehrt von dem suggestiven Kapital seiner Persönlichkeit. Das blieb nicht ohne Folgen. Es haperte bei manchem Trompeteneinsatz und bei der nicht immer zwingenden Betreuung des Ensembles.

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Ludwig Webers Gurnemanz zollte ebenfalls dem unabänderlichen Lauf der Zeiten den fälligen Tribut. Hier wird sich Bayreuth zu einer baldigen Wachablösung. bequemen müssen, wenn es seine SteIlung als führende Wagner-Bühne halten will. Ein guter Griff in dieser Richtung war der Amfortas von Dietrich Fischer-Dieskau. Der schöne, männliche Bariton ist noch größer und durchschlagender geworden. Von diesem Sänger gehen Erschütterungen aus, die man sonst vermißte. Denn der "Frigidaire-Stil" der Regie verlangt eine Aufhöhung der Strahlungskraft der Hauptgestalten.

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Wieland Wagners Regie hat noch einiges nachzuholen, obwohl die Grundlösung besticht. Nur wiederholt sie sich oft. Das gebannte Stillstehen wird zur Manie, wie überhaupt mancher moderne Zug in der Darstellung zur Pose erstarrt. Es geht kein Weg an Wagners Partitur vorbei, deren Gebärdensprache auf neue Möglichkeiten der szenischen Übersetzung untersucht werden muß.

Dr. Jens Bergfeld

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