Zum Konzert in Berlin am 29. Juni 1949

 

"Berliner Konzerte - Dietrich Fischer-Dieskau sang im Titania-Palast.
Auf dem Podium des fast ausverkauften Titania Palastes steht, schlank und hochaufgeschossen, Dietrich Fischer-Dieskau und singt den Liederzklus "Die schöne Müllerin", der so munter beginnt und mehr und mehr die Lust zur Liebe mit der Lust zum Tode vertauscht. Sechundzwanzig Jahre zählte Schubert, als er diese "Novelle in Liedern" schrieb; vierundzwanzig ist, der sie jetzt darbietet. Mühelos gehorcht ihm die warme, weichströmende Stimme, die für jede leiseste Seelenregung einen neuen Farbton findet. Atemführung und Registerwechsel, Phrasierung und Artikulation, alles Technische und Materielle ist völlig überwunden. Ergriffen lauschennd wie die Zuhörer, sitzt Hertha Klust am Flügel und begleitet liebevoll-selbstvergessen und gleichgestimmt die Gesänge des Jünglings. Keine Pose, kein theatralisches Pathos trübt die Lautereit des Gefühls, dessen Reichtum und Tiefe weder von Sentimalität , noch von Niedlichkeiten gefährdet sind. Jugendlichen Überschwung und gütiger Humor umfaßt es ebenso wie schwärmische Innigkeit und schmerzliche Wehmut. Wie stark es jedoch mit echter Musikalität verbunden ist, wird deutlich, sobald sich in den Liedern die tragischen Schatten verdichten."

Berliner Tagesspiegel, 01.07.1949. (Autor unbekannt)
(eruiert und mitgeteilt von Jonas Olejniczak, im Rahmen seiner musikwissenschaftlichen Arbeit 2010)

 

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